Weihnachtsfeier: Gefangenenchor für den Kardinal

Weihnachtsfeier in der Justizanstalt Josefstadt
Weihnachtsfeier in der Justizanstalt Josefstadt(c) Michaela Bruckberger
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Wie 170 Häftlinge Weihnachten feiern. Kardinal Christoph Schönborn lässt es sich auch heuer nicht nehmen, einen Gottesdienst für die Insassen der Justizanstalt Wien-Josefstadt zu zelebrieren.

WIEN. Natürlich wird auch im Gefängnis Weihnachten gefeiert. Mit allem Drum und Dran. Mit einem echten Krippenspiel. Mit Gebeten. Mit Gesang. Und vor allem mit einem hohen kirchlichen Würdenträger. Kardinal Christoph Schönborn lässt es sich auch heuer nicht nehmen, einen Gottesdienst für die Insassen des größten Gefängnisses Österreichs, der Justizanstalt Wien-Josefstadt, zu zelebrieren.

Eine ganz normale Weihnachtsfeier? Fast. Die Teilnehmer des am Dienstag, also zwei Tage vor dem Heiligen Abend, stattfindenden Festes tragen legere Kleidung, T-Shirts, Jeans, Hausschuhe. Die Sitzreihen des großen Saales sind mit ca. 170 Häftlingen voll besetzt. Wer mitfeiern darf, bestimmt die Justizwache. Die für etwa 950 Häftlinge ausgelegte Anstalt ist chronisch überfüllt. Derzeit sitzen etwa 1130 Gefangene, vorwiegend U-Häftlinge, aus zirka 60 Nationen ein. Gleich vorweg: Der prominenteste U-Häftling der „Josefstadt“, Ex-Bawag-General Helmut Elsner, ist nicht dabei. „Die Teilnahme an der Feier ist freiwillig“, meint eine Justizwachebeamtin vielsagend. Sie und ihre Kollegen nehmen – ohne ihre Dienstpistolen – im Saal Aufstellung, halten sich dabei aber diskret im Hintergrund.

„Ich begrüße die unfreiwilligen Bewohner dieses Hauses sehr herzlich“, spricht Kardinal Schönborn von einer improvisierten Bühne lächelnd zu den Gefangenen. Die Worte „Friede sei mit Euch“ bringt er in fünf Sprachen. Die Krippe mit Ochs, Esel und einem Schaf ist von jugendlichen Häftlingen gebaut worden. „Maria und Josef sind hier dazuzudenken“, stellt der Kardinal milde fest. Ein Gefangenenchor, bestehend aus schwarzafrikanischen Häftlingen, denen vor allem Drogendelikte vorgeworfen werden, intoniert mehrstimmig Weihnachtslieder. „Thank you for your powerful voices“, sagt Schönborn.

Ein Baby schreit. Schönborn unterbricht seine Rede vom Kind, das geboren wurde, und sagt zu der Insassin: „Ich begrüße die Mutter mit ihrem Kind.“ Dann fährt er – einmal Deutsch, einmal Englisch – fort: „God is close to us.“ Und: „Maria schaut auf die Demütigen. Sie schaut nicht auf die, die sich was einbilden auf sich selbst. She is really the mother of all of us.“ Angesichts vieler Richter, die sich im Saal befinden, erklärt Schönborn: „Die Richter verurteilen, das ist ihr Beruf. Gott verurteilt uns nicht.“

Auch Muslime feiern mit

15 Häftlinge in selbst geschneiderten Kostümen, darunter vier Muslime, tragen auf der Bühne ihr einstudiertes Krippenspiel vor – und ernten für ihre eigenwillige, streckenweise an einen Rap erinnernde Darbietung viel Applaus. „Es gab keine Disco, kein Handy, kein Auto – trotzdem waren die Kinder froh, das war halt so“, wird mit Blick auf die Lebenszeit Christi gereimt. Einer der Darsteller, der 18-jährige Dennis, ist extra für die Vorstellung in die Haftanstalt gekommen. Bei den Proben war er noch Gefangener. Sechs Monate hatte er abzusitzen. Zwei Tage vor der Feier wurde er entlassen. Er habe sich „und seinem früheren Stockwerkskommandanten“ eine Freude machen wollen, erzählt er unsicher.

Kricak D. (33) aus Montenegro sitzt eine zweijährige Strafe wegen schweren Betrugs ab. „Fast ein Jahr“ sei er schon hier – weil er mit einem fingierten Onlineshop im Internet potenzielle Kunden um ihr Geld gebracht habe. Sein Freund Ljubomir I. (50) aus Serbien hat Glück. Am Mittwoch, einen Tag vor Weihnachten, wird er entlassen. Gnade? „Nein, Zufall.“ Seine Familie warte bereits auf ihn. Einbrechen sei er gegangen. Seine 20 Monate habe er zur Gänze absitzen müssen. Warum er nicht wie viele andere vorzeitig bedingt entlassen worden sei? I. scheint dies selber am besten zu verstehen. „Viele Vorstrafen...“ Kricak D. hingegen wird den Heiligen Abend in einem Haftraum verbringen. Er ist in der Gefängniswäscherei beschäftigt. „Aber an dem Tag schließen die Betriebe schon um elf Uhr.“

Indessen kommt Kardinal Schönborn zu einem Ende. „Lasst uns gehen in Frieden...“, sagt er, hält aber angesichts des speziellen Publikums sogleich inne und schränkt ein: „So weit ihr gehen dürft.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2009)

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