EU-Mandatare fordern Personalrochaden und mehr politische Rechte. Der Finne Rehn soll Kommissar für Wirtschafts- und Währungspolitik werden, die Niederländerin Kroes das neue Ressort Digitale Agenda erhalten.
Strassburg. Nach dem Rückzug der bulgarischen Kandidatin für die neue EU-Kommission deuten sich Änderungen bei der Zuteilung der Ressorts an. Ein Tausch zwischen den liberalen Kandidaten Olli Rehn und Neelie Kroes sei „begründbar, belegbar und nachvollziehbar“, sagte Manfred Weber, CSU-Abgeordneter und Vizechef der Europäischen Volkspartei (EVP), am Mittwoch in Straßburg.
Der Finne Rehn soll Kommissar für Wirtschafts- und Währungspolitik werden, die Niederländerin Kroes das neue Ressort Digitale Agenda erhalten. Beide haben bei ihren Anhörungen nicht überzeugt. Die EVP-Fraktion ist vom „Abschuss“ der Bulgarin Rumanja Schelewa tief getroffen. Denn sie ist auch EVP-Vizepräsidentin. Bei einer Fraktionssitzung am Dienstagabend habe es von mancher Seite „wilde Revanchegelüste gegeben“, sagte ein Teilnehmer zur „Presse“.
Parlament hat Blut geleckt
Die EVP-Spitze weiß aber, dass man mit Racheakten weder die Herzen der Wähler gewinnt noch die Basis für fünf Jahre gutes Auskommen mit der Kommission legt. Außerdem ist Kommissionspräsident José Manuel Barroso selbst ein EVP-Mann.
Darum legen die Christdemokraten ihr Augenmerk darauf, die Rechte des Parlaments bei Gesetzgebung und Kontrolle der Kommission auszuweiten. Damit sind sie nicht allein: Alle Fraktionen haben im Zuge der Kommissarsanhörungen, aber auch dank des EU-Reformvertrags von Lissabon, der das Parlament auf gleiche Stufe mit den nationalen Regierungen stellt, Blut geleckt.
Weber nannte zwei Forderungen für Barroso. Erstens soll die Kommission Richtlinienvorschläge machen müssen, sobald das Parlament dafür einen Antrag stellt. Das wäre eine kleine Revolution. Bisher hat die Kommission das Monopol über den Vorschlag von neuen EU-Gesetzen. Zweitens soll das Parlament beim Austausch von Kommissaren ein Anhörungs- und Ablehnungsrecht bekommen.
Dafür müsste der EU-Vertrag nicht geändert werden, sondern nur die „interinstitutionelle Vereinbarung“, ein Set an Spielregeln, auf das sich Parlament und Kommission alle fünf Jahre einigen. „Wir machen das zur Zustimmungsvoraussetzung“ für die Kommission, sagte Weber.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21. Jänner 2010)