Europas neues Krisenmanagement

Europas neues Krisenmanagement
Europas neues Krisenmanagement(c) AP (Thierry Charlier)
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Drei Männer sollen die EU aus Währungs- und Wirtschaftsturbulenzen steuern. Einer von ihnen ist Olli Rehn, der bisherige Erweiterungskommissar, er wird sich sofort um den angeschlagenen Euro kümmern müssen.

Wien. Der Euro auf Talfahrt, vier Länder in der Schuldenspirale und eine nächste drohende Spekulationsblase: Schwieriger könnte die Ausgangslage für die neue EU-Kommission unter José Manuel Barroso kaum sein. Nach der zu erwartenden Bestätigung durch das Europaparlament am heutigen Dienstag ist rasches Krisenmanagement angesagt. Drei Männer spielen dabei Hauptrollen: Olli Rehn als Wirtschafts- und Währungskommissar, Joaquín Almunia als Wettbewerbskommissar und Michel Barnier als Binnenmarktkommissar.

Rehn, der bisherige Erweiterungskommissar, wird sich sofort um den angeschlagenen Euro kümmern müssen. Er ist für die Umsetzung des Euro-Stabilitätspakts verantwortlich. Sein Hauptaugenmerk wird fürs Erste Griechenland gelten, das laut Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer mittlerweile Wertpapiere von sage und schreibe 290 Milliarden Euro ausstehen hat. Aber auch Spanien, Portugal und Italien werden zur Last für die gemeinsame Währung. Sanfter Druck aus Brüssel wird laut einhelliger Meinung der Experten nicht ausreichen, um diese Länder zu herben Sparmaßnahmen zu drängen. Dass Rehn ebenso wie die beiden anderen Wirtschaftskommissare Almunia und Barnier bereits Brüssel-Erfahrung mitbringt, ist kein Zufall. In Zeiten der Krise wollte Barroso, dass Schlüsselressorts umgehend handlungsfähig sind.

Almunia und Barnier müssen ebenso rasch agieren, um ein Auseinanderbrechen des auf fairen Wettbewerb beruhenden Binnenmarkts zu verhindern. Dabei werden sie noch stärker als ihre Vorgänger unter den Druck einzelner nationaler Regierungen geraten. Denn mitten in Krisenzeiten müssen wettbewerbsverzerrende Subventionen, Schutzmaßnahmen und neue staatliche Eingriffe in die Wirtschaft verhindert werden. Problematisch könnten hier ihr eigenen Heimatländer werden. Almunia kommt aus dem wirtschaftlich schwer angeschlagenen Spanien, dessen Bausektor ohne staatliche Investitionen kaum noch lebensfähig ist. Und Barnier gilt als verlängerte Arm von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, der Schutzmaßnahmen für die nationale Autoindustrie favorisiert.

Balanceakt der Baronesse

Barnier ist zudem für die Regelung der Finanzmärkte zuständig. Eine Herausforderung, bei der er vor allem die Londoner City gegen sich hat. Gelingt Barnier kein Durchbruch, wird das EU-Krisenmanagement unglaubwürdig. Geht er zu weit, drohen erhebliche Probleme mit der britischen Regierung.

Einen ähnlichen Balanceakt muss übrigens auch Vizekommissionspräsidentin Catherine Ashton vollziehen: Die erste „Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik“ der EU-Geschichte muss einerseits international beweisen, dass Europa nach außen hin mit einer Stimme sprechen kann. Anderseits darf sie den EU-Staaten nicht zu sehr die Show stehlen. Denn die sind nicht wirklich willig, außenpolitische Kompetenzen nach Brüssel abzugeben. Von dieser Bereitschaft der EU-Mitglieder wird aber der Erfolg der Britin maßgeblich abhängen. Zudem muss sie Organisationstalent beweisen: Eine der Mammutaufgaben der Baronesse wird es sein, den Aufbau von Europas erstem diplomatischen Corps in die Wege zu leiten.

Gegen heftigen Widerstand vieler EU-Länder wird auch Cecilia Malmström ankämpfen müssen. In das Innenressort der Schwedin fällt die Einwanderungs- und Asylpolitik. Die EU-Behörde will gemeinsame Regeln in diesen Bereichen durchsetzen.

Lang ist die Aufgabenliste des Rumänen Dacian Ciolo?: Mit der EU-Agrarpolitik leitet er das Ressort mit dem größten EU-Budget. Dementsprechend komplex sind auch die Problemfelder: Krisen wie der Quotenstreit mit Milchbauern bis hin zu den Existenzsorgen kleiner Produzenten fallen ebenso in sein Ressort wie die Vorentscheidungen zur Zukunft der gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013: Die Kommission will noch heuer Vorschläge zur Finanzierung vorlegen.

Weitere zentrale Posten: Der deutsche Günther Oettinger wird als Energiekommissar über zentrale Wirtschafts- und Umweltfragen entscheiden. Und der Österreicher Johannes Hahn wird als Kommissar für Regionalpolitik das Ressort mit dem zweitgrößten Budget in der EU verwalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2010)

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