Flüchtlinge in Marokko: 14 Kilometer bis zum großen Traum

Selbst ein Schlauchboot mit Rudern würde reichen, um Spanien von Marokko aus zu erreichen. Wer Geld und Kontakte hat, kann allerdings auch eines mit Außenbordmotor erwerben.
Selbst ein Schlauchboot mit Rudern würde reichen, um Spanien von Marokko aus zu erreichen. Wer Geld und Kontakte hat, kann allerdings auch eines mit Außenbordmotor erwerben.(c) APA/AFP/FADEL SENNA (FADEL SENNA)
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Nur die Meerenge von Gibraltar trennt Marokko von dem EU-Land Spanien. Bis zu 30.000 Flüchtlinge warten in der Hafenstadt Tanger auf ihre Chance, Europa zu erreichen. Madrid fürchtet bereits einen Anstieg der illegalen Migration.

Immer, wenn Miriam Pause macht, sitzt sie mit ihrem Baby auf dem Schoß auf der Treppe der Fußgängerpassage, die an den hohen Mauern eines mehrstöckigen Wohnblocks vorbeiführt. Auf der anderen Seite des Gebäudes liegen Bäckerei und Supermarkt, vor denen die junge Frau aus Nigeria vom frühen Morgen an bettelt. „Man kann hier ganz gut verdienen“, sagt Miriam. „Hier kommen viele Leute vorbei und die spanische Schule von Tanger ist nicht weit.“

Umgerechnet etwa zwölf Euro „verdient“ die 25-Jährige, bis sie am Nachmittag nach Hause geht. „Das meiste kann ich für Spanien zurücklegen, denn mein Mann verdient ja auch noch“, sagt die junge Mutter. „So kommen wir gut über die Runden und können uns bald den großen Traum erfüllen.“ Dann lächelte sie breit, und ihre Augen leuchten zufrieden.

Europa, was sonst. Miriams Traum ist Europa, und in Tanger liegt das vermeintliche Paradies nur 14 Kilometer entfernt, auf der andren Seite der Straße von Gibraltar. Nicht umsonst ist die marokkanische Hafenstadt im Norden des Landes traditionell Anziehungspunkt für Migranten und Flüchtlinge aus Afrika. Seit Jahren sind die Zahlen von 20.000 bis 30.000 Migranten stabil, die sich nach Schätzungen ständig in Nordmarokko aufhalten. Sie kommen etwa aus Kamerun, Gambia, dem Tschad, Guinea, aus Mali und Nigeria. „Von hier aus ist es nur ein Klacks, nach Spanien zu kommen“, behauptet Miriam schmunzelnd. Man bräuchte dazu nicht einmal ein Motorboot. „Ich kenne viele, die im Schlauchboot hinüber gerudert sind.“

Auch Kaita aus Kamerun sei weg, sagt Miriam. Der 28-jährige Kameruner war einer ihrer Kollegen, der die Fahrer von parkenden Wagen anbettelte. „Irgendwann im September sagte er mir, er habe zusammen mit Landsleuten ein Boot gekauft, kurz darauf war er weg.“ Von gemeinsamen Bekannten hörte sie, Kaita sei weiter nach Frankreich gereist. „Ständig hatte er mir bei der Arbeit von Paris vorgeschwärmt“, erinnert sich Miriam. „Nun ist er dort.“

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