Leitartikel

Straight outta Ghettoklasse

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Nicht alles, was im Ansatz nach Diskriminierung aussieht, ist es in Wirklichkeit auch. Letztlich sollten eigene Deutschlernklassen allen Beteiligten nützen.

Geht ja. Politik ohne übertriebene Ideologie. Aber auch ohne billige Punkte. Politik, die sich an der Welt orientiert, so, wie sie ist. Und nicht, wie manche sie sich imaginieren.

Es wird also eigene Deutschlernklassen in den österreichischen Schulen geben. Etwas, was von den SPÖ-Linken stets als „Ghettoklassen“ dämonisiert wurde. Allerdings werden diese nun so ausgestaltet, dass selbst die vormalige sozialdemokratische Bildungsministerin Sonja Hammerschmid darin eine „Absage an die von Kanzler und Vizekanzler propagierten Ghettoklassen“ sieht.

Wie immer man das Kind nun auch nennt: Die Vernunft hat hier die Polemik weitgehend ersetzt. Und es war durchaus ein weiter Weg. Eigene Klassen, in denen Kinder, die nicht ausreichend gut Deutsch können, erst einmal die Unterrichtssprache erlernen, um dann dem Regelunterricht auch folgen zu können, waren für viele – nicht zuletzt eben auch für die Sozialdemokraten in den bisherigen Regierungen – lange Zeit ein No-go. Diese Haltung ist allerdings mehr und mehr mit der Realität kollidiert.


Als der „Falter“ im Vorjahr Lehrer der Neuen Mittelschule in der Wiener Schopenhauerstraße („Sie nennen uns Opferschule“ – so der Titel) befragte, meinte eine Lehrerin: „Natürlich sollten Kinder Grundkenntnisse in Deutsch haben, bevor sie fix in eine Klasse kommen. Ich habe in meine Klasse übergangsweise zusätzlich zehn Flüchtlingskinder bekommen. Jede Woche ist eines dazugekommen, das überhaupt kein Deutsch kann. Ich dachte mir: Diese armen Kinder! Die sitzen zusätzlich zum Deutschkurs drei Stunden vor mir, horchen sich etwas an, von dem sie keinen Schimmer haben und kein Wort verstehen. Motivatorisch ist das der Wahnsinn.“ Man sollte also nicht alles Diskriminierung nennen, was nur im Ansatz danach aussieht, in Wirklichkeit aber keine ist.

Der neue Bildungsminister, Heinz Faßmann, an sich schon ein umsichtiger Fachmann auf dem Gebiet Bildung und Integration – auch einer ohne Scheuklappen –, kommt dem mit einem ausgewogenen Konzept nun nach: Schüler, die zu schlecht Deutsch sprechen, werden zuerst einmal in Deutschförderklassen unterrichtet und können dann bei Nachweis der entsprechenden Sprachkenntnisse in die Regelschulklassen wechseln. Kontakt dieser „außerordentlichen“ Schüler mit den Regelschülern wird es zudem bereits in Fächern wie Zeichnen, Turnen und Musik geben.

Es ist dies ein pragmatischer Ansatz, der allen nützen könnte und sollte: den betroffenen Schülern, den Mitschülern, den Lehrern.

Warum nicht gleich?, ließe sich fragen. Weil manche länger gebraucht haben, um das zu verstehen. Und manche das partout nicht verstehen wollten – weil es nicht in ihr Weltbild gepasst hat, ihre Ideologie das verbietet.

Die Grünen („Trennung statt Integration“) beispielsweise haben sich hier nach wie vor keinen Millimeter bewegt – möglicherweise auch ein Grund dafür, dass sie nun sind, wo sie sind. Und auch den gestrigen Wortmeldungen des Wiener SPÖ-Bildungsstadtrats, Jürgen Czernohorszky, und des SPÖ-Stadtschulratspräsidenten, Heinrich Himmer, merkte man das noch an. Das Konzept prinzipiell gut zu finden fiel ihnen schwer. Also warfen sie lieber – durchaus berechtigte – Fragen auf, wie diese: „Wie will man die Räume für Hunderte neue Vorschulklassen schaffen?“ Ja, eh. Das Ganze wird Geld kosten. Möglicherweise wird es auch umgeschaufelt. Aber es ist hier immerhin sinnvoll angelegt.


Diese Regierung ist mit dem Versprechen angetreten, in der Zuwanderungs- und Integrationspolitik neue, auch restriktivere Wege zu gehen. Weil die bisherigen offensichtlich in die falsche Richtung geführt haben.

Das kann man gut finden – eine leise Mehrheit wird das tun. Oder schlecht finden. Die laute Minderheit, die das tut, könnte in diesem speziellen Punkt der Sprachförderungsklassen aber auch einmal in sich gehen: Es wird an Türkis-Blau noch genug zu kritisieren geben. Das hier zählt eher nicht dazu.

E-Mails an:oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2018)

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