Weltwirtschaftsforum: Transatlantiker gegen Kerneuropa

Donald Trump in Davos.
Donald Trump in Davos.APA/AFP/NICHOLAS KAMM
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Brexit und der drohende US-Handelskrieg sorgen für neue alte Allianzen. US-Präsident Trump schmeichelt Großbritannien mit einer Liebeserklärung.

Rhetorische Abrüstung war gestern. Mit der Ankunft Donald Trumps in Davos kamen nicht nur gefühlte Hundertschaften weiterer Polizisten und auffällig unauffällige Personenschützer in den Schweizer Skiort, sondern auch ein schärferer Tonfall. Noch selten zuvor waren so viele Regierungschefs beim Weltwirtschaftsforum. Noch selten wurde das Kongresszentrum derart laut und deutlich für die Bestimmung der eigenen Position genutzt.

Auf der einen Seite Angela Merkel und Emmanuel Macron mit ihren Reden gegen Abschottung durch Trumps Schutzzölle-Ankündigung, die Staatschefs und Vertreter Asiens stehen mit ähnlichen Aussagen und deutlichen Warnungen vor einem Handelskrieg hinter ihnen. Auf der anderen Seite der US-Präsident und seine „America First“-Thesen, die nur bei einer Regierungschefin auf leichtes Verständnis stießen: Theresa May nimmt jeden Verbündeten, den sie angesichts der schlechten Ausgangslage bei den Brexit-Verhandlungen bekommen kann. In Davos erreichten May weitere Hiobsbotschaften: Der britische Notenbankchef, Mark Carney, bezifferte die Kosten des Brexit-Votums für die Wirtschaft auf rund zehn Milliarden Pfund pro Jahr, wie er der „Times“ in Davos verriet.

Und ganz ähnlich: Die US-Bank JP Morgan könnte wegen des Brexit mehr als 4.000 Jobs aus Großbritannien abziehen. Dies wäre bei einem „harten“ Brexit der Fall, bei dem das Vereinigte Königreich den Zugang zum EU-Binnenmarkt verliert, so JP-Morgan-Chef Jamie Dimon in einem BBC-Interview in Davos. Es wäre der größte Wegzug von Mitarbeitern eines einzelnen Unternehmens im Zusammenhang mit dem Brexit.

Der britische Schatzkanzler, Philip Hammond, warnte vor Begehrlichkeiten auf dem „Kontinent“. Dass Frankfurt die Rolle Londons als zentraler Finanzmarkt einnehmen könnte, sei nur „eine Fantasie“. Er warnt stattdessen vor einer Abwanderung der Finanzindustrie nach Übersee, sollten sich Briten und Kontinentaleuropäer nicht einigen können. Das globale Finanzzentrum London könne nicht einfach in Frankfurt, Paris, Amsterdam oder einer anderen Stadt neu aufgebaut werden.

Für Mays Seele mussten Trumps Aussagen später Balsam gewesen sein: „Da draußen waren ein paar falsche Gerüche, die ich korrigieren möchte. Wir lieben Ihr Land. Wir haben dieselben Ideale, und es gibt nichts, was passieren könnte, dass wir nicht für Sie da wären und für Sie kämpfen würden.“ Zuletzt hatte es tatsächlich Hinweise über ein schwieriges Verhältnis der beiden Administrationen wegen Geheimdienstleaks und Versäumnissen im Kampf gegen den Terror gegeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2018)

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