Im Film „Erik & Erika“ erzählt Reinhold Bilgeri Schineggers prägende Jahre nach. Jungschauspieler Markus Freistätter spielt die schwierige Rolle mit viel Gespür.
50 Jahre ist er her, dass Erika Schinegger mit besten Chancen beinahe zu den Olympischen Spielen gefahren wäre – wäre da nicht der neu eingeführte Chromosomentest gewesen, der eine weitere Karriere in der Damenmannschaft unmöglich machte. Später versuchte Schinegger noch einmal, bei den Herren Fuß zu fassen, bekam dabei aber kaum Unterstützung.
Zu groß muss das Tabu gewesen sein, als dass man sich in der österreichischen Skiwelt auf eine öffentliche Debatte eingelassen hätte. Ein halbes Jahrhundert später weiß zumindest die Medizin mehr über das Phänomen der Intersexualität und ihre vielen Spielarten. Breites gesellschaftliches Wissen ist es nicht unbedingt. Er habe nicht gewusst, was ein Hermaphrodit ist, sagt selbst Schauspieler Markus Freistätter. „Auch Intersexualität war mir bis dahin kein Begriff.“
Drittes Geschlecht. Freistätter spielt in Reinhold Bilgeris Biopic „Erik & Erika“ die zwei Rollen Schineggers – da die junge Frau mit wirren Haaren und ehrgeizigem Naturell, dort der Porschefahrer, unsicher, aber auch befreit. Ein Balanceakt – zumal er, schildert Freistätter, auch während der Dreharbeiten immer wieder zwischen den verschiedenen Bewusstseinsstadien wechseln musste.
Er habe viel zum Thema recherchiert, sagt er, sei auch in Wien bei Treffen intersexueller Menschen dabei gewesen. Manche von ihnen fordern eine Anerkennung als drittes, als intersexuelles Geschlecht. „Der Prozentsatz der Betroffenen ist nicht so gering, dass man darüber nicht sprechen sollte“, sagt Freistätter. „Ich finde es gut, dass es diesen Film gibt – nicht nur, um die Geschichte Eriks zu erzählen.“
Schinegger hat er vor den Dreharbeiten getroffen, „um ein Gespür für ihn zu bekommen.“ Schinegger selbst spielt in der Verfilmung eine Statistenrolle. Wohl nicht zufällig, glaubt Freistätter, habe man die beiden in der Maske nebeneinander gesetzt.
Freistätter, Jahrgang 1990, ist erst seit gut zwei Jahren Schauspieler. Als Kind, erzählt er, hatte er ein Abo fürs Theater der Jugend, „ich habe es geliebt. Aber dass Schauspielen ein Beruf ist, das musste man mir erst erklären, ich habe es kaum geglaubt.“ 2015 schloss er am Konservatorium der Stadt Wien seine Ausbildung ab, im selben Jahr spielte er in Wiener Neustadt in Paulus Mankers „Alma – A Show Biz ans Ende“. Nun kommen im März gleich zwei Filme mit ihm ins Kino, „Die letzte Party deines Lebens“ (ab 22. März) fällt dabei in die Kategorie Teenie-Horror.
Für „Erik & Erika“ (ab 2. März) musste der Halbmarathonläufer Muskelmasse zulegen, dazu kam Skitraining auf historischen Brettln, „das war nicht leicht“. Um Schuldzuweisungen gehe es in dem Film nicht. „Wir sind nicht darauf aus, jemanden als Bösewicht dastehen zu lassen, wir wollen nur die Geschichte wahr erzählen.“
Glatte 50 Jahre habe ihn diese Geschichte begleitet, sagt Regisseur Reinhold Bilgeri. „In verschiedensten Facetten lief sie mir immer wieder über den Weg und stupste mich an.“ Es handle sich dabei um eine „sehr österreichische Geschichte über Tabus und Verdrängung, Verlogenheit und Niedertracht, Siegeswillen und Erlösung, Triumph und Niederlage.“ Mit dem Film wolle er Schineggers Lebensmut „ein kleines Denkmal setzen“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2018)