Die Höllenfahrt Österreichs

März 1938: Dunkle Wolken über dem Prater.
März 1938: Dunkle Wolken über dem Prater.(c) Oscar Horowitz
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Als Willi Forst den Glauben an das „goldene Wienerherz“ verlor. Als die dunkelste Zeit des Landes begann. Als das Requiem in Rot-Weiß-Rot seinen Lauf nahm. März 1938, Vorfrühling. Nicht nur der Zirkus Sarrasani war auf dem Weg nach Wien.

Leichter Föhn. Vorfrühling in Wien. Ein angenehm-trügerisches Lüfterl wie im Mai. Die ersten Tulpen blühen. Fast könnte man im Freien Kaffee trinken. März 1938. Man liest: „Einen so warmen Märzbeginn wie heuer hatten wir in Wien seit 1922 nicht.“ Im Prater sind die Ringelspiele und Schießbuden frisch lackiert und die Watschenmänner bereit für eine ordentliche Tracht Prügel. Auch die Geisterbahnen haben den Winterschlaf gut überstanden und locken hinein zu den gruseligen Gestalten. Die Höllenfahrt kann beginnen. Wie die Reise in die dunkelste Zeit Österreichs.

Die Gastwirtschaft „Zum Walfisch“ und der Trabrennplatz laden zum Saisonbeginn ein, die letzten Vorbereitungen für die Eröffnung der Wiener Messe werden getroffen. Die Tabakregie präsentiert die Neuheit „Egyptische Sorte in der eleganten Flachschachtel“. Scharmant, einfach und doch elegant wird die „Erste Original Wiener Modeschau“ angekündigt. Die „Reichspost“ berichtet vom neuesten Trend: „Die klassischen Frühlingsfarben werden in diesem Jahr durch die Vielfalt der erdbeerroten, negerbraunen und kornblumenblauen Schattierungen ergänzt.“

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