Terrorexperte zieht Österreich-Schelte zurück

Peter Neumann bei einem Interview 2015
Peter Neumann bei einem Interview 2015ABC Lateline (Screenshot)
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Peter Neumann, Direktor des Centre for the Study of Radicalisation in London, gestand am Mittwoch, in seiner Kritik an Wiens Fernbleiben von den Ausweisungen russischer Diplomaten wegen der Giftaffäre überzogen zu haben. Er sieht aber andere Probleme dabei: etwa die FPÖ.

Im Zusammenhang mit der Nichtteilnahme Österreichs an der von zahlreichen Staaten wegen des Giftanschlags in England verfügten Ausweisung russischer Diplomaten hat der frühere OSZE-Sonderbeauftragte zum Kampf gegen Radikalisierung, der Deutsche Peter Neumann, am Mittwoch eine heftig diskutierte Aussage zurückgezogen. Neumann (43) war zuvor von der "Presse" unter Berufung auf Twitter mit den Worten zitiert worden: "Das ist Österreich, wie es seine Brücken zum Westen niederbrennt."

Tatsächlich hatte die Regierung in Wien erklärt, bei den Sanktionen gegen Russland, dem der Westen en gros die Verantwortung für die Vergiftung eines russischen Ex-Spions und seiner Tochter vor wenigen Wochen in Salisbury vorwirft, nicht mitzuziehen. Man wolle als Neutraler "Kanäle offen halten", hieß es. Unter anderem haben bisher Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Polen, Spanien, Italien, Dänemark, Rumänien und Lettland, aber auch nichteuropäische Länder wie die USA und Australien russische Diplomaten ausgewiesen.

Kneissl: "Weiß nicht, wovon er spricht"

Neumann, ein Politologe und Journalist, seit 2008 Direktor des International Centre for the Study of Radicalisation am King's College in London, gestand am Mittwochnachmittag ein, dass seine Aussage mit den brennenden Brücken "falsch" und "überzogen" gewesen sei. Dafür wolle er sich entschuldigen.

Außenministerin Karin Kneissl hatte Neumanns Brücken-Aussage mit den Worten kommentiert: "Wir brennen hier überhaupt nichts nieder. Wir sind zweifellos ein Land des Westens". Und: "Wer das anzweifle, "weiß nicht, wovon er spricht".

Die Sache mit der FPÖ und Russland

Neumann besteht laut Twitter aber darauf, dass er sich "Sorgen mache". Denn Kneissl habe auch gesagt, dass sich selbst dann, wenn klar wäre, dass Russland zweifelsfrei hinter dem Anschlag steckt, sich Österreichs Position “wahrscheinlich nicht ändern” würde. Also, so der Politologe: "Ist das noch eine neutrale Position? Oder ein Freibrief für Russland?"

Außerdem nehme er Österreich die behauptete Rolle als neutraler Vermittler in der Causa nicht ab: Wie kann das funktionieren, wenn jeder weiß, wie eng die Beziehungen zwischen Putins Partei und der FPÖ sind?"

Österreich muss für sein Abseitsstehen bei der konzertierten Aktion gegen Russland auch so Kritik von den EU-Partnern einstecken. Die unter anderem als Begründung vorgebrachte Neutralität etwa sei für einen EU-Staat "ein schlechter Witz", twitterte etwa der frühere lettische Außenminister Artis Pabriks am Dienstag.

Umgekehrt betonte der Pressesprecher von Bundeskanzler Sebastian Kurz, Etienne Berchtold, dass sich EU-Staaten wie Portugal, Luxemburg und Griechenland an der Massenausweisung noch nicht beteiligt hatten. Zudem ist die Verantwortung Russlands bisher in der Tat objektiv noch nicht eindeutig geklärt, sondern nur "höchstwahrscheinlich". Zweifler etwa fragen, wieso mutmaßliche russische Spione hätten ein Gift (Nowitschok) benutzen sollen, dessen Existenz bisher exklusiv nur für die UdSSR bzw. Russland gesichert ist. Damit hätten sie ja selbst die Quelle offengelegt.

(red.)

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