Folge 67. Daniela K. ist langjährige Mitarbeitern eines großen Handelsunternehmens. Ihr Dienstvertrag enthält folgende Klausel: „Die Angestellte darf für einen Zeitraum von einem Jahr nach Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis keine Tätigkeit im Geschäftszweig des Arbeitgebers ausüben. Bei Zuwiderhandeln ist eine Vertragsstrafe in der Höhe des dreifachen letzten Nettomonatsentgelts an den Arbeitgeber zu bezahlen“. Ein anderes Handelsunternehmen möchte Daniela K. abwerben und bietet ihr an, die Strafe für sie zu begleichen.
Das Arbeitsverhältnis ist durch Haupt- und Nebenpflichten gekennzeichnet. Die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft und die Bezahlung des arbeitsvertraglich vereinbarten oder angemessenen Entgelts stellen die wechselseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag dar. Daneben sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber verpflichtet, die berechtigten Interessen der jeweils anderen Seite zu wahren („Nebenpflichten“). So hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, dass seine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gewahrt bleiben, wohingegen der Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse am Schutz seiner Gesundheit hat. Diese Nebenpflichten beginnen mit Abschluss des Arbeitsvertrages und enden mit dessen Beendigung.
Um zu vermeiden, dass sich bei einem Wechsel des Arbeitnehmers zu einem Konkurrenten des bisherigen Arbeitgebers dessen Wettbewerbssituation verschlechtert, indem etwa das vom bisherigen Arbeitgeber geschaffene Know-how in das Konkurrenzunternehmen eingebracht wird, können gewisse Nebenpflichten für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch „Konkurrenzklauseln“ gesichert werden. Im Fall eines Verstoßes gegen diese Konkurrenzklauseln hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, vom Arbeitnehmer Schadenersatz beziehungsweise die Zahlung einer Vertragsstrafe zu verlangen. Ohne eine derartige Vereinbarung darf der ehemalige Arbeitnehmer prinzipiell jeder Beschäftigung nachgehen, ohne Strafen befürchten zu müssen.
OGH: Anwerben trotz finanzieller Vorteile zulässig
Der freie Wettbewerb bildet das Fundament der Marktwirtschaft. Grundsätzlich umfasst diese Wettbewerbsfreiheit auch die Nachfrage nach Mitarbeitern. Zur Sicherung der Interessen der jeweiligen Wettbewerbsteilnehmer sind gewisse „unlautere“ Geschäftspraktiken verboten. Der Oberste Gerichtshof hat sich in diesem Zusammenhang mit der Frage auseinandergesetzt, ob das Versprechen des künftigen Arbeitgebers, die Vertragsstrafe für den wechselnden Mitarbeiter zu übernehmen, eine wettbewerbswidrige Handlung darstellt. Entgegen der früheren Rechtsprechung gelangte er zu dem Ergebnis, dass das Abwerben von Mitarbeitern zulässig ist, auch wenn dem Mitarbeiter finanzielle Vorteile gewährt werden. Unternehmen haben nämlich ebenso wenig einen Anspruch auf den Mitarbeiterbestand, wie sie einen Anspruch auf einen Kundenbestand haben. Das attraktive Angebot einer „Wechselprämie“ oder der Übernahme der Vertragsstrafe eines Mitarbeiters ist Bestandteil des Wirtschaftslebens.
Daraus folgt, dass das Verleiten eines Mitarbeiters zum Vertragsbruch per se noch nicht rechtswidrig ist. Erst durch Hinzutreten von Begleitumständen, die den Wettbewerb verfälschen, wird ein wettbewerbswidrig verpöntes Verhalten verwirklicht. Dazu zählen sowohl irreführende als auch aggressive Geschäftspraktiken, wie etwa das Nötigen des Mitarbeiters zum Wechsel durch Ausübung psychischen Drucks oder durch Täuschung mittels unrichtiger Angaben. Sowohl der Mitarbeiter, als auch der Mitbewerber haben in derartigen Fällen die Möglichkeit, Unterlassungsansprüche geltend zu machen. Zur Sicherung dieser Unterlassungsansprüche können sie unter erleichterten Bedingungen auch einstweilige Verfügungen erwirken. Darüber hinaus kann ein solches wettbewerbswidriges Verhalten auch Schadenersatzpflichten auslösen.
Fazit
Das Abwerben von Mitarbeitern durch Verleitung zum Vertragsbruch stellt per se noch keine wettbewerbswidrige Handlung dar, selbst wenn dem Mitarbeiter finanzielle Vorteile in Aussicht gestellt oder gewährt werden. Ein wettbewerbswidriges Verhalten liegt erst dann vor, wenn das Abwerben durch verpönten Verhaltensweisen, wie etwa durch irreführende oder aggressive Geschäftspraktiken, erfolgt. Im Ausgangsfall bestehen keine Hinweise auf verpönte Verhaltensweisen des Konkurrenzunternehmens. Die Zusage des Konkurrenzunternehmens, die Vertragsstrafe für Daniela K. zu begleichen, ist daher zulässig.

Sebastian Ksiazek ist Associate bei der Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH (fwp).