Tricky Women: Trickfilm-Kunst Bild für Bild

(c) Mirjam Baker
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Das Wiener Filmfestival zeigt 181 Animationsfilme von Frauen. Die vier Künstlerinnen Veronika Schubert, Barbara Wilding, Mirjam Baker und Ina Loitzl sprechen über Geduld, Vorbilder und Humor im Trickfilm.

Wasserfarbenzweige, die sich auf nackten Körpern zu einer Liebesgeschichte auswachsen. Ein Notizbuch, das sich per Kulistrich in ein Notebook verwandelt. Ein einsamer Puppenmann, dem Gesellschaft aus der Achselhöhle wächst. Eine Hommage an Bonnie Tyler in Filzstift. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Programm des Trickfilmfestivals „Tricky Women“, das heuer zum siebten Mal stattfindet. 181 Filme weit weg von Disney & Co. stehen auf dem Programm, ein internationaler Wettbewerb auch.

Die Veranstalterinnen Waltraud Grausgruber, Birgitt Wagner und Isabella Purtauf haben schon früher Festivals ausschließlich für weibliche Filmemacher gemacht. Ist Trickfilm denn ein Medium, das Frauen besonders entgegenkommt? „Das nicht, aber Frauen sind, wie überhaupt in der Gesellschaft, weniger präsent. Man merkt auch – bei großen Produktionen, sobald mehr Geld im Spiel ist, ist der Frauenanteil dann schon ein deutlich geringerer“, erklärt Birgitt Wagner.

Nach so vielen Beiträgen, die die „Tricky Women“ über die Jahre schon zu Gesicht bekommen haben, „ist doch noch nie etwas gekommen, bei dem wir uns gedacht haben, das haben wir schon gesehen“, sagt Wagner. Das mag auch an der großen Vielfalt der Techniken liegen, die sich durch das Programm zieht: Von der Sand- und Haaranimation über Arbeiten mit Fotos und Legetechniken oder Cut-outs und Puppentrick ist wirklich alles dabei. Hier zeichnen sich keine Trends ab, meint Wagner, wohl aber in einem anderen Bereich, dem das Festival ab heuer eine eigene Programmschiene widmet: dem dokumentarischen Trickfilm. „Wir sagen ja auch immer, Trickfilm hat eine aufklärerische Wirkung. Der kann doch vieles, was man sich sonst vielleicht nicht zumuten würde, vermitteln. Und das ohne Zeigefinger.“ So gibt es also unter anderem Filme über Asylsuche in England, über eine Flutkatastrophe in Indien oder über Liebe mit Down-Syndrom zu sehen.

Wir haben vier österreichische Trickfilmkünstlerinnen gebeten, sich für das „Schaufenster“ im Stil ihres Filmes zu porträtieren.

Veronika Schubert - Tintenkiller

(c) Veronika Schubert

„Es war gar nicht so einfach, sich diese Technik wieder anzueignen“, sagt Veronika Schubert gut gelaunt, nachdem sie ihr Porträt im Stil ihres Films „Tintenkiller“ abgeliefert hat. Immerhin hat sie den Film bereits vor einem Jahr fertiggestellt. Und zwar während eines Stipendienaufenthalts in Krumau.

Anschließend war er schon in der Ausstellung „Videorama“ der Kunsthalle Wien zu sehen. Und jetzt läuft er im Wettbewerb des Festivals „Tricky Women“. Worum geht’s? „Um Krimis. Da wird immer ein Leben ausgelöscht, und darum eine Handlung aufgebaut, und dieses Auslöschen war für mich spannend, das wollte ich dann auch formal umsetzen, deshalb habe ich mit Tinte und Löschstift gearbeitet.“

Das Video setzt sich aus 3000 Bildern zusammen, insgesamt hat die Arbeit über ein halbes Jahr gedauert. 15 Stunden Rohmaterial hat sie gesichtet, welche Sendung sie dafür ausgewählt hat, will sie nicht verraten, aber treue Sonntagabendfernseher werden sie sowieso gleich erkennen.
Schubert hat in Linz an der Kunst-Uni studiert, erst gegen Ende des Studiums hat sie sich für Animation erwärmen können: „Da bin ich mit einem gestrickten Trickfilm sozusagen ins kalte Wasser gesprungen“, sagt die 28-Jährige. „Aber ich hab schnell
festgestellt, dass diese Arbeit, dieses Akribische, meinem Charakter sehr entspricht.“
www.veronika-schubert.at

Barbara Wilding - Einsiedlerplatz

(c) Barbara Wilding

Strindbergs Zitat „Alles kann passieren, alles ist möglich und wahrscheinlich, Raum und Zeit existieren nicht“ ist die Grundlage für Barbara Wildings Film „Einsiedlerplatz“. An ihm hat sie fünf Jahre lang gearbeitet und war nie zufrieden. Irgendwann hat sie ihn dem Komponisten Peter Kutin übergeben und der hat dann, ohne dass sich die beiden irgendwie abgesprochen hätten, einen experimentellen Soundtrack dazu geschrieben. Seitdem ist Wilding endlich zufrieden.

Die hohen Ansprüche kommen wohl daher, dass Barbara Wilding am Trickfilm besonders schätzt, dass man in diesem Medium so viel mehr sagen kann als in anderen: „Figuren können so gezeichnet oder gestaltet sein, dass sie viel mehr ausdrücken können als ein Schauspieler in seiner Maske oder seinem Kostüm.“  In dem Zusammenhang schwärmt Wilding besonders von „Waltz with Bashir“, dem dokumentarischen Trickfilm über den ersten LibanonKrieg, der letztes Jahr den Auslands-Oscar bekam: „Den finde ich unglaublich genial. Ich denke, da ist Trickfilm in dem, was Trickfilm machen kann, wahnsinnig gut verwendet worden.“

Humor wäre auch für Barbara Wilding ein Thema, allein: „Ich würde gern, aber ich hab’s noch nicht geschafft, lustig zu sein. Meinen ersten Film haben allerdings manche lustig gefunden, das hat mich dann schon sehr gefreut.“
Und wenn es einmal nicht so vorangeht am Zeichentisch, hat Wilding einen Trick: „Da ist dann Überwindungsarbeit im wörtlichen Sinn notwendig, da geh ich klettern, das ,Nach-oben-Arbeiten‘ hilft.“

Mirjam Baker - Memory, Zoot Woman

(c) Mirjam Baker

Manchmal siegt Frechheit wirklich. Mirjam Baker und ihr Kollege Michael Kren haben vor drei Jahren einen Animationsfilm gemacht, in dem sie Figuren aus Gemälden von Pieter Brueghel und Hieronymus Bosch zum Leben erweckt haben. Dafür haben sie eine passende Musikuntermalung gesucht und mit einem Song von der Elektroband Zoot Woman gefunden.

Das fertige Video haben die beiden Künstler dann ins Netz gestellt. Und eines Tages haben sich Zoot Woman bei ihnen gemeldet. „Wir dachten, weil wir ihr Urheberrecht verletzt hatten“, aber die Musiker stellten sich als lässige Typen heraus. Denn sie wollten „nur“, dass Baker und Kren ihnen das Video für einen anderen Song zur Verfügung stelle. Schließlich gab’s dann sogar einen Preis beim New York Independent Film Festival dafür. Nicht schlecht für die erste Arbeit von zwei FH-Studenten. Das war der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit Zoot Woman, die sich mit „Memory“ fortsetzt.

Mirjam Baker war es wichtig, in dem Video eine Geschichte zu erzählen. Ein Mann, der seiner verlorenen Liebe nachtrauert, sieht seine Erinnerungen durch einen Diarahmen lebendig werden. Der kleine Ausflug ins Analoge ist auch kein Zufall: Für Baker ist die größte Inspiration, sich mit der Geschichte von Animation zu befassen: „Wenn ich darüber höre, wie erste Animationen entstanden sind, kommen mir tausend Ideen.“

Ina Loitzl - In der Blüte ihrer Jugend

(c) Ina Loitzl

Tricky Women

Wie so oft ist das Fernsehen schuld. Diesmal daran, dass Ina Loitzl jetzt Trickfilme macht. „Da gab es früher immer diese kurzen Filme, in denen Köpfe in einer Box erschienen sind. Das ist das, was ich am schönsten am Trickfilm finde: Wenn ich eine Kamera habe, ein Stativ, eine weiße Fläche und ein paar Sachen. Und dann entsteht etwas.“ Das Spielerische taugt der 37-Jährigen an ihren Legetechnikfilmen. „Ich komm mir oft vor wie ein Kind, das experimentiert.“ Ihr Beitrag beim Österreich-Panorama von „Tricky Women“ ist allerdings eine Mischung aus Legetechnik und feiner Zeichnung: „Das passt besser zum Thema Gewalt gegen Kinder und Jugendliche.“

„In der Blüte ihrer Jugend“ ist in noch einer Hinsicht kein typischer Ina-Loitzl-Film, denn normalerweise schätzt sie am Trickfilm, dass „ich den meisten Humor da hineinbringen kann, beißende Kritik oder auch Selbstironie, etwa in ,Die Seelen in meiner Brust‘ (Bild)“. Allerdings nur lustig, das ist Loitzl wieder zu wenig: „Dafür wäre mir der Arbeitsaufwand zu groß. Ich habe zum Beispiel noch einen Horrorfilm mit Plastikinsekten, den hab ich nie fertiggemacht, weil mir einfach der Kick einer Aussage dabei fehlt . . .“

Übrigens sieht sie ihre Filme gar nicht so gern auf der Leinwand: „Das ist mir meistens zu groß. In der Ausstellungssituation ist es immer intimer. Aber ich freu mich natürlich schon, wenn sie im Kino gezeigt werden . . .“
inaloitzl.kilu.de

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