Je niedriger die Bildung, desto mehr Babys. In Sozialwissenschaften, Kunst und Journalismus gibt es besonders viele kinderlose Frauen.
WIEN. Maria K., 39, kommt ins Grübeln. Kinder waren einmal ihr Ziel. Geworden ist daraus nichts. Ein Hauptgrund: ihre Karriere. Viele Jahre hat sie in ein Doppelstudium im In- und Ausland investiert, dieses mit dem Doktortitel abgeschlossen und danach unter anderem für die EU Übersetzungsdienste geleistet. Da war kaum Zeit für Kinder, sagt Maria heute. Sie habe sich auch in einer „Männerwelt“ durchsetzen müssen – und wer jahrelang ausfällt, verpasse in ihrem Job auf ihrer Ebene schnell den Anschluss, so die Übersetzerin. Die Karriere sei ihr „schon sehr wichtig“, sagt sie. Doch manchmal fragt sie sich: Hat sie die falschen Prioritäten gesetzt?
Der Fall von Maria K. ist kein Einzelfall: Die 39-jährige Österreicherin zählt zu den 36 Prozent der 35- bis 39-jährigen Akademikerinnen in diesem Land, die kinderlos sind. Mit gut einem Drittel schließen sie beim Nachwuchs viel schlechter ab als die gleichaltrigen Nichtakademikerinnen: Von diesen sind nur 17 Prozent kinderlos, also knapp halb so viele. Das zeigt die jüngste „Generations and Gender Survey“ (GGS) mit Daten aus den Jahren 2008 und 2009, die von der Statistik Austria mit dem Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie dem Institut für Familienforschung der Universität Wien erstellt wurde. Bei den 40- bis 45-Jährigen sind 26 Prozent der Akademikerinnen und 13 Prozent der Nichtakademikerinnen kinderlos.
Je höher die Bildung, desto eher bleibt der Nachwuchs aus: Dieser Trend zeichnete sich schon bei der Volkszählung 2001 ab, und er hat sich kaum abgeflacht.
Weniger gebildet, mehr Kinder
Der Volkszählung zufolge waren damals 28,3 Prozent der über 45-jährigen Frauen mit Uni-Abschluss kinderlos. Auch 22 Prozent der AHS- und 21,6 Prozent der BHS-Absolventinnen in diesem Alter waren laut Statistik Austria kinderlos. Österreichweit waren es hingegen nur 14,3 Prozent.
Auch die Anzahl der Kinder unterscheidet sich nach Bildungsstand, wie die aktuelle „Generations and Gender Survey“ zeigt, die außer in Österreich in mehreren europäischen Ländern durchgeführt wurde. Unter anderem die skandinavischen Länder erwiesen sich dabei als „kinderfreundlicher“, Kind und Karriere sind dort besser vereinbar. Hierzulande haben der Studie zufolge die 40- bis 45-jährigen Akademikerinnen im Schnitt nur 1,3 Kinder, die Nichtakademikerinnen gleichen Alters hingegen 1,9 Kinder. Die Uni-Absolventinnen holen aber in höherem Alter leicht auf. Denn unter den 35- bis 39-Jährigen ist die Kluft je nach Bildungsgrad noch größer: Akademikerinnen kommen im Schnitt auf nur ein Kind, Nichtakademikerinnen in dieser Altersgruppe hingegen auf 1,6 Kinder.
Uni-Absolventinnen würden also „eher auch noch nach 40 Mutter“, sagt dazu Isabella Buber-Ennser vom Institut für Demographie. Vermutlich haben sie aus beruflichen Gründen die Familiengründung lange hinausgeschoben, ein Teil realisiere das dann aber nach dem 40. Geburtstag, so die Wissenschaftlerin.
Wunsch nach Familie
Gewollt ist die hohe Kinderlosigkeit unter den Akademikerinnen jedenfalls großteils nicht. Laut GGS wollen 79 Prozent der Akademikerinnen zwischen 35 und 39 noch mindestens ein Kind haben. Auch unter den kinderlosen Akademikerinnen ab 40 sagen 32 Prozent, dass sie noch eine Familie gründen wollen. Bei den kinderlosen Nichtakademikerinnen betragen die Prozentsätze in diesen Altersgruppen nur 51 bzw. 24 Prozent. Fast überall wird Studien zufolge mangelnde Kinderbetreuung – vor allem in ländlichen Gebieten – als Hemmschuh angegeben.
Kinderlose Künstlerinnen
Akademikerin ist aber nicht gleich Akademikerin: Je nach Studienrichtung ist die Chance auf Kinder offenbar unterschiedlich groß. Skandinavische Studien, die auch Daten aus Österreich enthalten, zeigen: Sozialwissenschaftlerinnen, Künstlerinnen, Theologinnen oder Journalistinnen sind besonders oft kinderlos, Ärztinnen oder Naturwissenschaftlerinnen liegen im Mittelfeld, und Diplomingenieurinnen verzeichnen eine gute „Kinderbilanz“. Für das Institut für Demographie der Akademie der Wissenschaften liegt die Erklärung in den prekären Beschäftigungsverhältnissen für Absolventinnen bestimmter Studienrichtungen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2010)