Martina Ludwig-Faymann: Eine Emanze, aber keine radikale

Eine Emanze aber keine
Eine Emanze aber keine(c) Clemens Fabry
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Warum Martina Ludwig-Faymann als Frau des Bundeskanzlers nicht halbe-halbe machen kann und trotzdem für die Gleichstellung der Frauen nicht schwarz sieht.

Warum sitzt mir die Frau des Bundeskanzlers und nicht die Frau Bundeskanzler gegenüber?

Martina Ludwig-Faymann: Weil ich nun einmal ich bin. Und ich bin Gemeinderätin in Wien und die Frau des Bundeskanzlers.


Deutschland hat eine Bundeskanzlerin, Großbritannien hatte schon vor vielen Jahren eine Premierministerin – alles Frauen aus konservativen Parteien. Was ist los mit der Sozialdemokratie?

Ganz so ist es nicht. Die höchste Repräsentantin der Europäischen Union, Catherine Ashton, kommt aus der Labour Party. Und sowohl in Wien als auch in der Bundesregierung haben wir einen ganz hohen Frauenanteil.


Er war aber schon einmal höher.

Trotzdem ist das kein Vergleich mit der Situation vor zehn, 15 Jahren.


Sie sehen also keinen Stillstand in der roten Frauenbewegung? Der Druck, den eine Johanna Dohnal ausgeübt hat, fehlt Ihnen derzeit nicht?

Sie hat ganz, ganz wesentliche Fundamente gelegt, in der Familienrechtsreform, durch die legale Schwangerschaftsunterbrechung oder mit dem ersten Frauenhaus in Wien. Heute sind wir aber viel weiter.


Beim Thema Gewalt gegen Frauen und Gewalt in der Familie gibt es aber noch genug zu tun oder?

Entscheidend ist, dass das Thema aus der Tabuecke heraußen ist. Es ist kein Kavaliersdelikt mehr – und zwar in allen Schichten.

Träumen Frauen in der Sandkiste zu selten davon, an die (Staats-)Spitze zu kommen?

Keine Ahnung. Entscheidend ist, dass Frauen, wenn sie Kinder bekommen, ihre Karriere unterbrechen, während Männer in dieser Zeit Karriere machen.


Heißt das, dass die Mutterrolle die Frauen hemmt?

So würde ich das nicht sagen. Mutter sein ist schon sehr bereichernd. Es liegt an den fehlenden Hilfen, an ausreichend Kinderbetreuung zum Beispiel, dass Frauen zu Hause bleiben – oder gar keine Kinder bekommen. Da müssen wir in Österreich noch aufholen.


Sind die Frauen zu wenig forsch und binden sie ihre Männer zu wenig ein?

Das mag fallweise so sein.

Ihr Mann kann sich als Bundeskanzler wohl auch nicht ad hoc Zeit nehmen, wenn es gerade lustig wäre.

Das stimmt. Egal in welchem Beruf, Mütter und Väter sollten sich aber immer die Zeit für ihre Kinder suchen.

Ist Halbe-Halbe eine Illusion?

Nein. Es ist ein Ziel, es funktioniert nur nicht immer. Die Frauenministerin hat in einem Interview erzählt, die Belastung zwischen ihr und ihrem Mann ist derzeit 30 zu 70 aufgeteilt, weil es in ihrem Job einfach nicht anders geht.


Bei Ihnen ist es wohl umgekehrt.

So ist es. Bei uns zu Hause ist Halbe-Halbe nicht machbar.

Die Frauenministerin will die (Gesetzes-)Peitsche schwingen, müsste es im Sinne der Frauen sein. Ist das nicht zu martialisch?

Niemand gibt freiwillig Macht her. Jahrzehntelange Frauenpolitik zeigt, dass man um die Sache kämpfen muss.


Sie sind also eher eine Radikal- denn eine Individualfeministin?

Das kommt auf die Begriffsdefinition an. Aber radikal? Da bin ich immer vorsichtig. Man denke nur, was allein das Wort Emanze bei manchen Männern auslöst. Ich halte mich für eine emanzipierte Frau ...


... aber für keine Emanze?

Doch, schon.


Die Schweizer „Weltwoche“ hat unlängst den Karriereknick von Frauen verkürzt gesagt mit zu großer Faulheit erklärt.

Das Gegenteil ist der Fall. Das Problem ist wohl eher, dass viele arbeitende Frauen doppelt und dreifach belastet sind: mit dem Job, den Kindern und oft noch der Pflege von Eltern oder Schwiegereltern.


Denken Sie gar an eine Art Müttergehalt?

Nein. Frauen wollen arbeiten, aus vielen Gründen. Wenn man nur zu Hause ist, fällt einem leicht die Decke auf den Kopf. Es muss aber jede selbst entscheiden, was sie tut. Jeder funktioniert anders. Und denkt anders, wenn zur Theorie die Praxis kommt. Wer rasch nach der Geburt wieder arbeitet und nachts zu wenig Schlaf kommt, überlegt sich vieles neu. Jetzt kann man als Politikerin schwer in Karenz gehen, aber ...


... so werden frauenpolitische Prämissen rasch zur leeren Theorie?

So ist es nicht. Aber das Leben verändert sich eben stark mit einem kleinem Kind. Da lernt man rasch, wie sehr ein Fulltimejob an die Substanz gehen kann. Man muss selbst entscheiden, wie man zufriedener, glücklicher und auch gesünder bleibt.

Wann gibt es eigentlich eine Wiener Bürgermeisterin?

Wenn eine Frau kandidiert.


Und wann wird das sein?

Das weiß ich nicht.

1981
Noch während der Schulzeit startete Martina Ludwig-Faymann ihre politische Karriere bei der Sozialistischen Jugend, deren Wiener Landessekretärin sie später wurde.

1996
kam Ludwig-Faymann in den Wiener Landtag und Gemeinderat. Ihr Spezialthema sind Frauenfragen.

2001
Seit neun Jahren ist die 42-Jährige mit SPÖ-Chef und Bundeskanzler Werner Faymann verheiratet. Die beiden haben eine siebenjährige Tochter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2010)

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