"America first" nimmt immer aggressivere Züge an

Donald Trump
Donald TrumpAPA/AFP/NICHOLAS KAMM
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Trump will Autoimporte mit strengeren Spritregeln bestrafen und das Ausland zur Kasse bitten, um die US-Medikamentenpreise zu senken.

Wien/Washington. Es war eine illustre Runde, die am Freitagabend im Weißen Haus zusammentraf: Die Chefs der drei großen US-Autobauer und hohe Vertreter der deutschen und japanischen Konkurrenz waren für eine Stunde zum Präsidenten geladen. Eigentlich wollten die Manager Donald Trump beknien, die von seinem Vorgänger Obama erlassenen Gesetze zur Senkung des Benzinverbrauchs nicht so radikal wie geplant zu kübeln. Denn dann droht ein jahrelanger Rechtsstreit mit Kalifornien und 16 weiteren Bundesstaaten, die sich ihre strengeren Vorgaben zur Eindämmung des Klimawandels nicht nehmen lassen. Die Konzerne müssten dann für die USA Autos nach zwei verschiedenen Standards bauen, was für sie wohl noch teurer ist als die Erfüllung der Verbrauchsziele.

Aber Trump machte den Branchengranden einen Strich durch die Rechnung. Er drohte gleich zu Beginn mit einer Klage gegen Kalifornien und polterte einmal mehr gegen das Freihandelsabkommen Nafta mit Mexiko und Kanada (von dem die Autobauer besonders profitieren). Vor allem in Richtung der deutschen Produzenten stellte er Strafzölle auf importierte Autos von 20 Prozent in Aussicht. Aber auch eine neue Idee hatte der Präsident parat: Importierte Autos sollen strengeren Umweltauflagen unterworfen sein als heimische – nämlich den alten Obama-Regeln. Das haben Teilnehmer an dem nicht öffentlichen Termin dem „Wall Street Journal“ berichtet. Auch wenn eine solche offene Diskriminierung nicht nur die Regeln der Welthandelsorganisation, sondern auch die US-Verfassung verletzt und damit keinen Bestand haben sollte: Allein der Vorstoß zeigt, welch aggressive Züge die Doktrin des „America first“ mittlerweile angenommen hat.

Das zweite Beispiel dazu stammt ebenfalls vom Freitagabend. Im Rosengarten des Weißen Hauses hielt Trump eine schon länger mit Spannung erwartete Rede. Im Wahlkampf hatte er versprochen, die US-Medikamentenpreise zu senken; nun will er dieses Versprechen einlösen. Bisher waren sich viele Experten und Politiker beider Lager einig darüber, warum Arzneimittel in den USA um so viel teurer sind als in den meisten anderen Ländern: Die Preise werden nicht zentral von staatlichen Krankenkassen verhandelt, sondern dezentral von privaten Versicherern und einem Netz von Mittelsmännern. Sie haben keine geballte Verhandlungsmacht; zudem verdienen sie selbst gut an dem System, was Trump immer wieder kritisiert hat.

Also war die allgemeine Erwartung (und Befürchtung der Pharmaindustrie), dass Trump der staatlichen Krankenversicherung Medicare (für ältere Menschen) direkte Verhandlungen ermöglichen und den Import billigerer Arzneien aus dem Ausland erleichtern werde. Aber was Trump als den „umfassendsten Plan der Geschichte“ anpries, blieb weit hinter diesen Erwartungen zurück.

Rest der Welt als Sündenbock

Zwar polterte er gegen die „sehr, sehr reich“ gewordenen Mittelsmänner und die Industrie, die ein „absolutes Vermögen“ auf Kosten der Steuerzahler anhäufe; aber als Initiativen dagegen nannte er nur kleinere, eher technische Änderungen. Die Branche zeigte sich erleichtert, der Index der Pharmaaktien ging um 1,5 Prozent in die Höhe. Aber dafür präsentierte Trump einen neuen Sündenbock: das Ausland. Seine ungewöhnliche Argumentation: Indem die Regierungen der anderen Industriestaaten mit ihren staatlich gesteuerten Verhandlungen von den US-Pharmafirmen „unvernünftig niedrige Preise erpressen“, seien diese gezwungen, in den USA teurer zu verkaufen, um auf ihre Margen zu kommen (was freilich nicht so recht zu dem Vorwurf passt, sie machten zu hohe Gewinne).

Jedenfalls agiere der Rest der Welt damit als „Schmarotzer“. Denn in den USA passiere der größte Teil der Forschung und damit der Innovation, wie einem von Ökonomen im Weißen Haus erstellten Papier zu entnehmen ist.

Amerika lasse sich aber nicht mehr länger „betrügen“, schimpft Trump – und verlangt von seinen Verhandlern in den von ihm angezettelten Handelsstreitigkeiten, das Thema zur Toppriorität in allen Gesprächen zu machen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2018)

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