Warum ist das teurer?

Gleiche Produkte – ungleiche Wirkung. Bei Gesundheitsprodukten kommt es auf den Wirkstoffgehalt an.
Gleiche Produkte – ungleiche Wirkung. Bei Gesundheitsprodukten kommt es auf den Wirkstoffgehalt an.(c) GARO / Phanie / picturedesk.com (GARO)
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In Apotheken und Reformhäusern unterscheiden sich die Preise für ähnliche Produkte zum Teil enorm. Ist das wirklich gerechtfertigt?

Als Kunde fragt man sich manchmal schon: Für 80 Stück Omega-3-Kapseln zahlt man in einem Drogeriefachmarkt um die 3,99 Euro, in einer Apotheke kosten 60 Stück zehn bis 20 Euro – oder (um etliches) mehr. Warum ist das so? „Bei Omega-3- und etlichen anderen Produkten haben wir einen exklusiven Partner, der nur an uns liefert, und deswegen können wir so günstig sein“, sagt Paul Pöttschacher, Pressesprecher von Rewe International, zu denen etwa die Drogeriekette Bipa gehört. Den nicht so kleinen Preisunterschied zu etlichen anderen Nahrungsergänzungsmitteln erklärt er damit, dass „wir als einer der größten Drogeriefachhändler ein anderes Volumen bestellen können als die Apotheken“. Qualitativ gäbe es jedenfalls keinen Unterschied, beteuert er. Um 3,99 Euro bekäme man bei Bipa dieselbe Qualität wie in der Apotheke um den mehrfachen Preis. In dieselbe Kerbe schlägt die Handelskette Müller, die in Österreich 80 Filialen besitzt. „Müller bietet zwar höchstes Qualitätsniveau, ist aber mit einer günstigeren Kalkulation zufrieden, die er eben an seine Kunden weitergibt“, heißt es aus der Geschäftsleitung.

Protest der Apotheker. Das mag die Apothekenkammer freilich nicht so stehen lassen. „Bei einem Preis von 3,99 Euro sind die Inhalts- und Wirkstoffe sicher andere als bei einem Produkt um 15 Euro. Es ist schließlich nicht in jedem Produkt gleich viel Omega-3 enthalten, da muss man schon genau schauen. Und auch die Bioverfügbarkeit ist eine andere“, argumentiert Kammer-Pressesprecherin Elisabeth Ort. Mitunter sei der Laie aber schwer überfordert, solche Unterschiede zu erkennen, zumal die Menge des Wirkstoffes häufig nicht bekannt gegeben wird, ganz zu schweigen von der Bioverfügbarkeit. Derlei Unterschiede gäbe es beispielsweise aber auch bei Tees. „Wenn ich einen namenlosen Kamillentee in einem Supermarkt um zwei Euro kaufe, ist da etwas völlig anderes drin als beispielsweise bei einem Kamillentee von Dr. Kottas, der vielleicht knapp das Doppelte kostet“, betont Ort. Das eine sei ein Lebensmittel und unterliege keinen strengen Bestimmungen – beim teureren Produkt handle es sich aber um einen geprüften Heiltee. Man sei schon gut beraten, wenn man Gesundheitsprodukte beim Spezialisten kaufe.

Test an Johanniskrautprodukten. Wie unterschiedlich rezeptfreie Mittel sein können, lässt sich eindrucksvoll an einer Untersuchung des deutschen Öko-Test-Verlags an Johanniskrautpräparaten feststellen. Johanniskraut gilt bei leichten bis mittelschweren Depressionen als wirksam. Gekauft und getestet wurden 20 Produkte und deren Wirk- und Hilfsstoffe. Schon die Preisunterschiede pro Packung waren eklatant: Während das billigste Präparat 3,55 kostete, lag das teuerste Produkt bei 36,20 Euro. Johanniskraut wirkt nur, wenn Extraktmenge und Dosierung stimmen. Bei den getesteten Präparaten aus der Apotheke war das fast durchwegs der Fall, sie enthielten 500 bis 1000 Milligramm Extrakt als Tagesdosis – das entspricht den aktuellen Leitlinien. Fünf Präparate aus der Apotheke wurden mit „Sehr gut“ beurteilt, sieben mit „Gut“. Für die mit „Sehr gut“ bewerteten Produkte liegen eigene klinische Studien zur Wirksamkeit vor.

Anders liegt der Fall bei den frei verkäuflichen Präparaten, die unter anderem aus Drogeriemärkten oder Reformhäusern stammten. Hier erwiesen sich sieben als „mangelhaft“ und eines sogar als „ungenügend“. Anlass der Kritik war unter anderem der Wirkstoffgehalt, der in den meisten Fällen (weit) unter der als effektiv geltenden Tagesdosierung lag. Damit waren sie ohne Wirkung – und freilich auch ohne Nebenwirkungen.

Das könnte ein Grund sein, warum man bei den meisten frei verkäuflichen Präparaten auf entsprechende Hinweise zu Wechselwirkungen verzichtet. Johanniskraut beeinflusst etwa die Wirkung von Asthmamitteln, Gerinnungshemmern und der Antibabypille. Bei den sehr guten und guten Produkten informierten die Beipackzettel sehr wohl über diese Nebenwirkungen. Der Punkt für die Wahl von Johanniskrautpräparaten ging in diesem Fall also eindeutig an die Apotheken.

Doppelter Preis für gleiche Ware. Und wenn die Werbung im Fernsehen noch so schillernd und verlockend ist: Vorschnell sollte niemand etwas kaufen. Unlängst wurde etwa von der MediaShop GmbH ein federleichter Rückenstabilisator statt um 80 um 49,90 Euro angeboten. Als Tageshit gab es für 49,90 Euro gleich zwei dieser Stabilisatoren. Das aber war weit gefehlt von einem guten Geschäft, denn: Kurze Zeit später wurde exakt das gleiche Produkt bei Merkur und Bipa um 19,90 Euro verkauft. Mani Morshedzadeh, Sales Director bei der MediaShop GesmbH, sagt dazu: „Wir haben keinen Einfluss auf die Preisgestaltung unserer Handelspartner, die im Rahmen von speziellen Aktionen oft die Verkaufspreise reduzieren.“

Preisgestaltung

Nahrungsergänzungsmittel oder medizinische Kräutertees kosten in der Apotheke zum Teil ein Vielfaches mehr als in Reformhäusern oder Drogeriefachmärkten. Zwar argumentieren Drogerieketten damit, dass die rezeptfreien Produkte die gleiche Wirkung haben – ein Test an Johanniskrautpräparaten zeigt aber das Gegenteil. Die Produkte aus Reformhäusern und Drogerien wurden zum Teil als „mangelhaft“ bewertet, die Dosierung der Wirkstoffe war etwa nicht hoch genug. Ein Hinweis für den Konsumenten können Wechselwirkungen sein. Fehlt die Information dazu, wirkt wohl das Produkt nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2018)

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