Wer mit Putin im Stadion feiert

Eröffnen die WM musikalisch: Der britische Popsänger Robbie Williams und Staatsopern-Sopranistin Aida Garifullina.
Eröffnen die WM musikalisch: Der britische Popsänger Robbie Williams und Staatsopern-Sopranistin Aida Garifullina.imago/ITAR-TASS
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Popsänger Robbie Williams düpiert mit Auftritt die britische Regierung. Präsident Putin erwartet hochrangige Politgäste in der Loge, darunter auch Vizekanzler Strache.

Moskau. Für Robbie Williams könnten die Dinge gar nicht besser laufen: Die Welt spricht über ihn. Schließlich hat der Popsänger seinen Ruf als Bad Boy zu verteidigen. Der Brite wird bei der Eröffnung der Fußball-WM im Moskauer Luschniki-Stadion vor 80.000 Fans auftreten und ein Medley seiner größten Hits bringen. Das freche „Party like a Russian“ wird freilich nicht darunter sein, schließlich enthält es ein paar Zeilen, die man als Spott am prominentesten Stadiongast auffassen könnte. „Man muss ein bestimmter Mann mit einem bestimmten Ruf sein, um ein ganzes Land um sein Geld zu erleichtern“, singt Williams in dem Song beschwingt – nur eben nicht heute vor Russlands Präsident Wladimir Putin. Too bad.

Williams Gastauftritt sorgt in Großbritannien für Ärger – hatten doch britische Regierung und Königshaus bekannt gegeben, die WM in Russland wegen der Skripal-Affäre boykottieren zu wollen. Russische Medien kommentieren hämisch den „verpatzten“ Boykott. Tatsächlich gab es nach dem Fall Skripal kurz eine Debatte, ob westliche Staaten geschlossen der WM 2018 fernbleiben sollten. Doch noch umstrittener als Putins Fußballfest ist der Boykott desselben.

Auf Ex-UdSSR ist Verlass

Putin bedankte sich gestern bei der Fifa dafür, dass die Organisation Sport und Politik auseinander halte. Auch das wirkt scheinheilig: Bei dem Sportfestival lauert hinter jeder Ecke Politik. Nirgendwo wird das deutlicher als bei der symbolträchtigen Eröffnung, bei der westliche Staatsoberhäupter Putin die Anerkennung versagen.

Nicht ohne sich ein Hintertürchen offenzuhalten: Gar nicht ausgeschlossen, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Match anreisen – wie es etwa die deutsche Kanzlerin Angela Merkel plant. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will erst zum Viertelfinale nach Russland fahren. Polen und Dänemark wollen ebenso später Regierungsvertreter schicken. Der entschlossenen Linie der Briten folgen hingegen Island, Schweden und die Ukraine.

Putin muss heute die Reihen der VIP-Loge mit Gästen aus aller Welt füllen, die keine Berührungsängste kennen. Zum Eröffnungsspiel werden der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman erwartet, ebenso der Präsident von Ruanda, Paul Kagame, der bolivianische Staatschef Evo Morales und der libanesische Premierminister Saad al-Hariri. Auch ein Teil der Ex-Sowjetrepubliken ist dem Kreml treu: Der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew und Kasachstans Langzeitherrscher Nursultan Nasarbajew reisen an, ebenso Armeniens neuer Premier Nikol Paschinjan und der Kreml-treue Präsident der Republik Moldau, Igor Dodon. Und dann gibt es noch die europäischen Putin-Fans: Vizekanzler Heinz-Christian Strache kommt als Sportminister und offizieller Vertreter der Bundesregierung ins Luschniki-Stadion.

Die WM ist in Russland Chefsache, ihre erfolgreiche Austragung wird als Beweis der nationalen Stärke interpretiert: ein Land, das trotz partieller Isolation eine Riesenveranstaltung über die Bühne bringt. Auch wenn in den letzten Tagen in den Straßen Moskaus immer mehr Trainingsjacken mit „Russia“-Aufdruck zu sehen sind: Mit einem Erfolg des heimischen Teams rechnet niemand. Die Fußballbegeisterung der Russen ist nicht gerade überbordend.

Fall Senzow hat Sprengkraft

In den vergangenen Wochen bemühte man sich, die Kluft zu verkleinern, die zwischen dem offiziellen Ereignis und der Gesellschaft liegt. Im Staatsfernsehen wird laufend über das Event berichtet, Zeitungen erteilen Schnell-aufklärung in Sachen Fußball. Straßen sind mit WM-Fahnen geschmückt und im öffentlichen Raum finden sich plötzlich riesige Fußballattrappen – eine willkommene Fotokulisse. Eine Armada an Freiwilligen bemüht sich darum, einen guten Eindruck bei den Besuchern zu hinterlassen. Die Sicherheitskräfte sind zahlreich, halten sich aber im Hintergrund.

Und dann gibt es noch eine Sache mit einem speziellen Sicherheitsrisiko. Auf der Halbinsel Jamal ist der zu 20 Jahren Haft verurteilte ukrainische Filmemacher Oleh Senzow in Hungerstreik getreten. Exakt seit dem 14. Mai verweigert er die Nahrungsaufnahme. Sein Fall ist mittlerweile weltweit bekannt, Amnesty International betrachtet ihn als politischen Gefangenen. Putin lehnte eine Begnadigung zuletzt ab. Doch vor ein paar Tagen geschah etwas Bemerkenswertes: Russische Kulturschaffende sprachen sich im Staats-TV für seine Freilassung aus. Beobachter meinen, dass so Verständnis für eine Amnestie geschaffen wird. Ein Toter im Gefängnis zur WM wäre für Putin jedenfalls ein PR–Desaster, das es zu verhindern gilt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2018)

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