Folge 69. Der deutsche Fußball-Nationalspieler Mesut Özil ließ sich gemeinsam mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan fotografieren. Er wurde dafür öffentlich teils heftig kritisiert. Als Reaktion trat er aus der deutschen Fußballnationalmannschaft zurück.
Der Fall Özil wirft die Frage auf, inwieweit sich Mitarbeiter politisch exponieren dürfen und wie Arbeitgeber auf unerwünschte politische Äußerungen reagieren können.
Es ist trotz des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung allgemein anerkannt, dass öffentliche Äußerungen von Mitarbeitern, die den Ruf des Unternehmens schädigen oder gar Ehrenbeleidigungen darstellen, zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Entlassung führen können. Nicht ganz so klar ist die Rechtslage bei politischen Meinungsäußerungen von Mitarbeitern. Und zwar solchen, die sich nicht von Vornhinein gegen das Unternehmen des Arbeitgebers richten, sondern von einem Mitarbeiter gänzlich losgelöst vom Dienstverhältnis getätigt werden (quasi als „Privatmeinung“).
Schlüsselbegriff "Weltanschauung"
Ob ein Unternehmen auf politische Äußerungen, durch die es sich negativ betroffen fühlt, durch arbeitsrechtliche Maßnahmen reagieren kann, hängt entscheidend davon ab, ob eine politische Meinung als die „Weltanschauung“ eines Mitarbeiters zu qualifizieren ist. Die Weltanschauung ist im Arbeitsverhältnis nämlich rechtlich geschützt, und zwar durch das im Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) geregelte Diskriminierungsverbot. Danach darf kein Mitarbeiter wegen seiner Weltanschauung im Arbeitsverhältnis benachteiligt werden, etwa beim Entgelt, bei Beförderungen oder bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
Verboten ist sowohl die mittelbare als auch die unmittelbare Diskriminierung. Der Begriff der „Weltanschauung“ ist laut OGH (9 ObA 122/07t) eng mit dem Begriff der Religion verbunden, dient aber als Sammelbezeichnung auch für andere Leitauffassungen vom Leben und von der Welt als einem „Sinnganzen“ sowie zur Deutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Standortes für das individuelle Lebensverständnis. Eine klassische Weltanschauung ist z.B. der Pazifismus. Während allgemeine politisch-ideologische Konzepte wie z.B. der Marxismus wohl unter den Begriff der Weltanschauung fallen, wird dies bei einer rein parteipolitischen Anschauung eher nicht zutreffen.
Würde eine bestimmte politische Meinung unter den Begriff der „Weltanschauung“ fallen, wären arbeitsrechtlichen Maßnahmen gegen einen Mitarbeiter aufgrund der öffentlichen Äußerung einer solchen Meinung nur bei Vorliegen bestimmter Rechtfertigungsgründe zulässig.
Eine Rechtfertigung kann sich etwa daraus ergeben, dass eine bestimmte politische Einstellung Grundvoraussetzung für die Begründung eines Dienstverhältnisses ist (z.B. bei einer politischen Partei) und daher eine der Unternehmensausrichtung zuwiderlaufende politische Äußerung von Vornherein ein „no-go“ ist.
Abgesehen davon haben Unternehmen generell ein schützenswertes Interesse daran, von Kunden, den Medien oder der Öffentlichkeit insgesamt als politisch neutral wahrgenommen zu werden und nicht mit einer bestimmten politischen Ansicht eines Mitarbeiters Verbindung gebracht zu werden. Auch kann ein Arbeitgeber erwarten, dass Mitarbeiter in ihrer öffentlich geäußerten Meinung nicht fundamental von der Geschäftspolitik oder sonstigen Ausrichtungen des Arbeitgebers abweichen.
Mahnung erlaubt, Mobbing verboten
Sollten diese Interessen des Arbeitgebers durch politische Meinungskundgebungen des Mitarbeiters verletzt werden oder führen die Äußerungen gar zu einer Gefährdung des Ansehens oder Fortkommens des Unternehmens, ist der Arbeitgeber berechtigt, arbeitsrechtliche Maßnahmen zu setzen.
Diese können je nach Schwere der Beeinträchtigung z.B. in einem mahnenden Gespräch, einer „offiziellen“ Verwarnung, einer Versetzung, einer Kündigung oder einer Entlassung bestehen. Keinesfalls zulässig ist allerdings jede Form von „Mobbing“ aufgrund einer unerwünschten politischen Meinungsäußerung. Darunter fällt zB das fortwährende Bloßstellen eines Mitarbeiters innerhalb der Unternehmens oder in der Öffentlichkeit. Mobbing ist nach dem GlBG nämlich unabhängig davon, ob eine politische Meinung unter den Begriff der Weltanschauung fällt oder nicht, verboten.
Fazit
Im Fall Özil ist von Vornherein fraglich, ob das Sich-Fotografieren-Lassen gemeinsam mit dem türkischen Staatschef überhaupt unter die „Äußerung“ einer bestimmten politischen Meinung fällt, zumal darunter auch eine bloße Geste der Höflichkeit bzw. des Anstands verstanden werden kann. So lassen sich z.B. auch Vertreter ideologisch gänzlich verschiedener Parteien miteinander ablichten oder Unternehmenschefs mit Politikern, ohne dass dies als gleich als Sympathisieren mit dem jeweiligen Fotopartner interpretiert wird.
Kommt man zu dem Schluss, dass das Verhalten von Özil von Vornherein nicht als politische Positionierung oder sonst unzulässiges Verhalten (z.B. Verstoß gegen Unternehmensrichtlinien) zu sehen ist, wären arbeitsrechtliche Konsequenzen ausgeschlossen und sein Arbeitgeber wäre sogar verpflichtet, ihn zumindest vor Anfeindungen durch Kollegen in Schutz zu nehmen. Jedenfalls untersagt ist es seinem Arbeitgeber, ihn deswegen im Unternehmen oder öffentlich an den Pranger zu stellen.

Philipp Maier ist Partner bei der internationalen Anwaltskanzlei Baker McKenzie und spezialisiert auf das Arbeitsrecht. Er berät insbesonders zu Transformationsprozessen, Arbeitszeitmodellen, Post Merger Integration und internationalen Entsendungen. Er ist Autor zahlreicher Publikationen und Vortragender im Arbeitsrecht.