Ein Angriff auf die Währungshüter

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US-Präsident Trump kritisiert den Fed-Chef wegen der Zinserhöhungen und bricht damit ein Tabu. Ist die Unabhängigkeit der US-Notenbank in Gefahr? Wie sieht es anderswo aus?

Wien. Für Selbstzweifel war der amtierende US-Präsident bisher nicht bekannt. Die Premiere fand auf einer Veranstaltung für Geldgeber statt: „So etwas kann nur einem Trump passieren“, klagte derselbe kleinlaut. Er ist unzufrieden mit Jerome Powell, dem Chef der US-Notenbank Fed. Seine Berater hatten ihm im Vorjahr gesagt, Powell würde eine Politik des billigen Geldes unterstützen. Deshalb hat er ihn als Nachfolger von Janett Yellen für die Fed-Spitze nominiert. Und jetzt überrascht er ihn mit Zinserhöhungen. Darüber ist Trump „nicht begeistert“, wie er nun auch die Weltöffentlichkeit wissen ließ. Das Statement sorgte für Turbulenzen auf den Devisenmärkten: Der Dollar fiel. Vor allem aber regen sich Sorgen um die Unabhängigkeit der US-Geldpolitik.
Trump bricht mit seiner Attacke erneut ein Tabu. Seine Vorgänger hüteten sich, Druck auf die Zentralbanker auszuüben. Man muss ein halbes Jahrhundert zurückgehen, um Vergleiche zu finden. Nicht zufällig hatte Amerika damals mit hohen Inflationsraten zu kämpfen. Seither gilt es in westlichen Gesellschaften als ehernes Gesetz, dass nur unabhängige Notenbanker Preise stabilisieren, Blasen verhindern und das Vertrauen in eine Währung sichern können.

In Trumps Weltsicht fügt sich sein Ärger aber nahtlos ein: Er will die US-Wirtschaft weiter heiß laufen lassen, auch auf Kosten steigender Schulden, durch höhere Ausgaben und die Steuerreform. Die Fed hält dagegen, um eine Überhitzung zu vermeiden. Das stärkt den Dollar, umso mehr, als Zentralbanken in Europa und Japan, wo die Wirtschaft schwächer wächst, weiter auf Nullzinsen setzen. Das stört im Handelsstreit, den Trump dem Rest der Welt erklärt hat. Stattdessen solle die Fed „etwas helfen“, mit einem schwachen Dollar Munition verleihen.

Durch seine Attacke sichert sich Trump jedenfalls auch politisch ab: Falls die US-Wirtschaft ins Wanken gerät, hat er den Sündenbock schon in der Schublade. Aber ist die eigenständig agierende Geldpolitik wirklich in Gefahr?

USA

Zentralbanken sind nie völlig unabhängig: Die jeweils Regierenden besetzen offene Posten mit Kandidaten ihrer Wahl. Aber in funktionierenden Demokratien ist es für die Machthaber kaum möglich, einen einmal Gekürten während seiner Amtszeit loszuwerden. Die Kritik könnte auch nach hinten loslegen: Wollte Powell, vielleicht aus guten Gründen, die geplanten weiteren Zinserhöhungen tatsächlich stoppen, würde das alle Welt als Kotau auslegen, den sich kein Geldpolitiker von Rang erlauben darf. Auf längere Sicht könnte der Tabubruch aber doch Schaden anrichten: Wenn Trump es schafft, seine Anhänger – die Hälfte der amerikanischen Wähler – gegen die Fed aufzubringen. Oder wenn Bewerber für frei werdende Posten diese nur erhalten, wenn sie versprechen, sich für niedere Zinsen einzusetzen. Eine solche Umsteuerung von außen droht der wichtigsten Zentralbank der Welt vor allem dann, wenn Trump eine Wiederwahl gelingt.

Türkei

In vielen autoritären Regimen, wie Russland und China, sind die Verbindungen zwischen Machthabern und Notenbank wenig transparent, und kaum jemand hält ihre Geldpolitik für wirklich unabhängig. In dieses Fahrwasser gerät gerade die Türkei. Ihr Präsident Erdoğan tut alles, um die Notenbank seinem Einfluss zu unterwerfen. Seit Mitte Juli kann er ihre Führung im Alleingang per Dekret auswechseln. Auch er will einen schon lange dauernden Boom weiter befeuern, noch viel mehr als in den USA durch Schulden finanziert. Die Folge: Die Investoren verlieren das Vertrauen in die Währung, Kapital fließt ab, die Lira verfällt. Längst müssten die Notenbanker angesichts einer Inflation von über 15 Prozent die Zinsen erhöhen. Sie wagen es nicht, was die Befürchtungen der Anleger bestätigt und das Kapital weiter in die Flucht treibt – ein Teufelskreis.

Ungarn

Auch in Europa sind Notenbanken nicht davor gefeit, dass Regierungen ihre Unabhängigkeit untergraben wollen. Ungarns Premier Orbán versuchte es 2012 mit einem Trick: Er erweitere die Zahl der Führungsposten, bis seine Vasallen in der Mehrheit waren. Zudem sollten Minister an Sitzungen teilnehmen und Zentralbanker einen Eid auf die „Interessen des Landes“ ablegen. All das widersprach dem EU-Vertrag, der eine weisungsfreie und unabhängige Arbeit der Notenbanken fordert. Schließlich musste sich Orbán dem Druck aus Brüssel beugen – freilich nicht ohne sich als Verfolgter der übermächtigen EU zu inszenieren.

Österreich

Und in Österreich? Die Regierung hat gerade über die Neubesetzung des Generalrates und des Direktoriums der Nationalbank entschieden (siehe Seite Eins). Welche Posten die FPÖ als neue Partei in der Regierung dabei besetzen kann, ist eine Frage der Machtbalance in der Koalition. Im Prinzip aber ist eine solche Umfärbung bei anstehenden Personalwechseln im Rahmen des Üblichen und Legitimen.
Die wirklich wichtigen geldpolitischen Entscheidungen werden ohnehin nicht mehr in Wien, sondern vom gesamten Eurosystem getroffen: dem Rat der Gouverneure in Frankfurt. Der Zugriff nationaler Regierungen ist hier schwerer, auch deshalb, weil ihre Interessen oft stark divergieren. Damit darf sich die EZB mit Fug und Recht als besonders unabhängige Zentralbank verstehen. Künftig wohl auch im Vergleich zu ihren Kollegen in Amerika.

(APA/Reuters)

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