Dominic Thiem spielt gegen Rafael Nadal um sein erstes US-Open-Halbfinale, der Faktor Hartplatz dürfte für keinen der beiden French-Open-Finalisten ein entscheidender Vorteil sein.
New York/Wien. Nach dem überzeugenden 7:5,6:2,7:6(2)-Erfolg gegen den südafrikanischen Vorjahresfinalisten Kevin Anderson steht Dominic Thiem erstmals im Viertelfinale der US Open. Gegner im größten Tennisstadion der Welt ist in der Dienstag-"Nightsession" der amtierende Champion in New York, Rafael Nadal. Ein Ausblick.
Die direkten Duelle
Zehn Mal trafen Dominic Thiem und Rafael Nadal bislang aufeinander, der Spanier führt den Vergleich mit 7:3-Siegen an. Das bislang jüngste Aufeinandertreffen entschied Nadal im French-Open-Finale vor drei Monaten mit 6:4, 6:3, 6:2 deutlich für sich. In Flushing Meadows betreten die beiden Kontrahenten allerdings Neuland. Alle bisherigen Matches fanden auf Sand statt.
Der Faktor Hartplatz
Thiem ist der einzige Top-Ten-Spieler, gegen den Nadal noch nie auf Hartplatz gespielt hat. Das birgt eine gewisse Brisanz und wirft die Frage auf, ob der Belag denn ein Vorteil für einen der beiden Spieler sein könnte. Wenn, dann dürfte im Vergleich zum Sandplatz eher Thiem einen Vorteil daraus ziehen, wobei er wohl nur minimal sein dürfte. Denn die Hartplätze in New York sind verglichen zu anderen sehr langsam, nehmen auch den Spin gut an. Nadal möchte den Faktor Hartplatz nicht überbewertet wissen. „Es ist ein anderes Spiel als auf Sand, aber es ist immer noch ein Tennismatch“, erklärte der 32-Jährige.
Die Taktik
Gegen Nadal erwartet Thiem ein völlig anderes Spiel als gegen Anderson. Anders als gegen den aufschlagstarken Südafrikaner wird der 25-Jährige wieder vermehrt versuchen müssen, direkte Gewinnschläge anzubringen. „Ich weiß, wie er spielt, und er weiß, wie ich spiele“, sagte Nadal, der keine Überraschungen erwartet. Sowohl Nadal als auch Thiem werden den weitläufigen Court des Arthur-Ashe-Stadiums dazu nutzen, sich immer wieder teils weit hinter die Grundlinie zurückfallen zu lassen – wie auf Sand. Speziell Thiem aber ist dazu angehalten, den Weg in die Offensive zu suchen.
Der Bresnik-Schützling muss zwangsläufig ein hohes Risiko eingehen, will er Erfolg haben. Sein Freund und Sparringpartner Dennis Novak sagt der „Presse“: „Mitspielen brauchst du nicht mit Rafa. Natürlich wird Domi mehr riskieren, er wird auch mehr Fehler machen als gegen Anderson, aber er muss so spielen.“ Von enormer Bedeutung könnte die Anfangsphase sein. „Domi muss sofort in die Partie finden und Rafa spüren lassen, dass es ein hartes Stück Arbeit wird. Wenn Domi einen Lauf bekommt, dann ist alles drin.“
Über den konsequent verfolgten und variablen Matchplan gegen Anderson sagt Novak: „Viele Beobachter haben nicht geglaubt, dass Domi taktisch auch anders spielen kann und waren der Meinung, er verfüge über keinen Plan B. Wie man gesehen hat, kann er auch anders spielen, vielleicht hat er es in letzter Zeit nur nicht oft genug gemacht.“
Die Physis
Mit Nadal und Thiem stehen einander die zwei vermeintlich fittesten Spieler auf der Tour überhaupt gegenüber. Dieses Spiel dürfte nicht über die Physis entschieden werden, es sei denn, das im Zweitrundenspiel gegen den Russen Karen Khachanov behandelte rechte Knie des Spaniers macht wieder Probleme. Nadal (11:05 Stunden) und Thiem (11:27 Stunden) verbrachten in ihren ersten vier Matches nahezu ident viel Zeit auf dem Court.
Der Blick auf das Tableau
Welche Auswirkungen es hat, nicht mehr zu den Top-acht-Gesetzten zu zählen, zeigt sich in New York deutlich. Nicht erst wie sonst üblich im Viertelfinale sondern schon im Achtelfinale bekam es Thiem mit einem Top-acht-Spieler (Anderson, Nummer fünf) zu tun. Im Falle eines Erfolgs gegen Nadal wäre der Weg ins Finale mit einem Duell gegen Juan Martin del Potro (Head-to-Head 0:4) oder John Isner (1:1) verbunden. Gegen Del Potro könnten auch die Geister der Vergangenheit zurückkehren: Im Vorjahr hatte Thiem im Achtelfinale gegen Del Potro nach 2:0-Satzführung und Matchball verloren.
Die Aussichten
Thiem wird nach den US Open Anderson überholen und zumindest die Nummer acht sein, im Fall eines Halbfinaleinzugs sogar die Nummer sieben, weil dann auch Grigor Dimitrov hinter den Lichtenwörther zurückfallen würde.
Im Kampf um die Qualifikation für die World Tour Finals der acht besten Spieler der Saison in London ist Thiem aktuell die Nummer acht. Verfolger John Isner ist mit 435 Punkten Rückstand sein härtester Widersacher.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2018)