Dominic Thiem: Epische, aber sieglose Tennisnacht

Zwei Tennisspieler und Gegner, aber nach jedem Matchball respektvoll vereint: Rafael Nadal gratulierte Dominic Thiem zu diesem Schlagabtausch.
Zwei Tennisspieler und Gegner, aber nach jedem Matchball respektvoll vereint: Rafael Nadal gratulierte Dominic Thiem zu diesem Schlagabtausch. (c) APA/AFP/DON EMMERT
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Dominic Thiem verliert nach knapp fünf Stunden gegen den Weltranglistenersten Rafael Nadal. Es bleibt die Erkenntnis, dass der ÖTV-Star nun auch auf Hartplatz eine Größe ist.

Das weltgrößte Tennisstadion war erst halbvoll, da war der erste Durchgang schon wieder vorbei. 6:0 gegen die Nummer eins, gegen den Spanier Rafael Nadal, den Titelverteidiger bei den US Open in Flushing Meadows, den 17-fachen Grand-Slam-Sieger. 24 Minuten, 13 Winner, zwei Fehler. Im Viertelfinale des Turniers in New York spielte Dominic Thiem den womöglich besten Satz seiner Karriere.

4:49 Stunden später, kurz nach zwei Uhr morgens Ortszeit, ging Nadal mit dem Score von 0:6, 6:4, 7:5, 6:7 und 7:6 als Sieger vom Platz. Die Geste nach dem Matchball sprach Bände: Er sprang über das Netz, nahm Thiem in den Arm und gratulierte zum tollen Match.

„Er war großartig“, sagte Nadal dann auch später im Siegerinterview. Tatsächlich standen sich in dieser Nacht in New York zwei ebenbürtige Spieler gegenüber. Aber Nadal wäre nicht Nadal, wenn er das Ruder nicht doch noch herumgerissen hätte. Dabei stand der Spanier nicht nur nach dem ersten Satz mit dem Rücken zur Wand. Im dritten Durchgang schlug Thiem bei 5:4 auf die Satzführung auf, alles wäre womöglich anders ausgegangen, hätte der 25-Jährige auf dem langsamen Hartplatz den Satz ausserviert. Thiem: „Nadal ist einer der besten Rückschläger aller Zeiten, da kann man immer ein Break bekommen.“

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass Österreichs aktuell bester Tennisspieler nun auch auf Hartplatz in der absoluten Weltspitze angekommen ist. Zum ersten Mal zog er in ein Grand-Slam-Viertelfinale abseits von Paris ein. Um ein Haar wäre er als erster Österreicher überhaupt in Flushing Meadows ins Halbfinale eingezogen. Thomas Muster erreichte bei den US Open dreimal die Runde der letzten Acht. Auch der Steirer verlor alle drei Spiele.

Obwohl bei Thiem unmittelbar nach dem Spiel, um halb drei Uhr morgens in den Katakomben des 23.000 Zuseher fassenden Arthur-Ashe-Stadions die Enttäuschung überwog: Nach der verkorksten Vorbereitung muss er mit der Ausbeute bei den US Open zufrieden sein. Nach der souveränen Leistung im Achtelfinale gegen den Südafrikaner Kevin Anderson brachte er auch gegen Nadal seine Winner aus allen Positionen an. Am Ende standen 74 Gewinnschläge bei 57 unerzwungenen Fehlern zu Buche.

„Tennis ist grausam, dieses Spiel hätte sich keinen Verlierer verdient“, sagte Thiem. Der erste Satz sei „richtig, richtig gut“, das ganze Match regelrecht „episch“ gewesen. „Noch nie zuvor habe ich so lang gegen so einen großen Spieler gespielt.“ Um beim Positiven zu bleiben: Auch nach knapp fünf Stunden wirkte Thiem kein bisschen müde, oder wie es John McEnroe formulierte: „Diesen beiden beim Wettkampf zuzusehen, macht mich stolz, selbst einmal Tennisspieler gewesen zu sein.“

Abgang mit Standing Ovations

Nadal erwartet am Freitag im Semifinale in einer Neuauflage aus dem Vorjahr der Argentinier Juan Martín del Potro. Der Weltranglisten-Dritte verabschiedete im Viertelfinale mit John Isner den letzten Amerikaner, insgeheim spekuliert der Publikumsliebling mit seinem zweiten Triumph nach 2009. Damals schlug er Nadal im Halbfinale klar, im vergangenen Jahr setzte es eine Niederlage in vier Sätzen.

Für Thiem wiederum steht als Nächstes der Daviscup gegen Australien in Graz an. Er verlässt die USA erhobenen Hauptes, das Publikum gönnte ihm minutenlange Standing Ovations. „Jetzt bin ich enttäuscht, aber in ein paar Tagen werde ich positiv auf das Spiel zurückblicken können“, sagte er. Thiems Zaubernacht in New York ging ohne Sieg zu Ende. Die Meisterprüfung blieb dem Österreicher verwehrt. Doch wenn er weiter so spielt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis er auch auf Hartplatz die ganz großen Erfolge feiern wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2018)

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