Angst und Paranoia in Trumps „Tollhaus“

Woodward beschreibt Trump als einen Mann, der nicht qualifiziert ist für den Job.
Woodward beschreibt Trump als einen Mann, der nicht qualifiziert ist für den Job.(c) REUTERS (Kevin Lamarque)
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Enthüllungsspezialist Bob Woodward zeichnet in seinem Buch „Fear“ ein erschreckendes Porträt des Präsidenten und seines Teams.

Ahnungslosigkeit und Arroganz, Wutanfälle und impulsive Entscheidungen, Missachtung und Verachtung: „Fear – Trump in the White House“, das jüngste Buch des legendären „Washington Post“-Reporters Bob Woodward, enthält so viel brisanten Stoff über Donald Trump und sein Team, dass das Klima der Angst und Paranoia im Weißen Haus wohl ein neues Niveau erreichen wird. Woodward beschreibt den Präsidenten als einen Mann, der nicht qualifiziert ist für den Job. Das Weiße Haus jagte Dementis hinaus: Lügengeschichten, alles erfunden.

James Mattis, Verteidigungsminister

Der vom Präsidenten als „Mad Dog“ verehrte Verteidigungsminister James Mattis war konsterniert. „Warum brauchen wir so viele Truppen in Südkorea?“, fragte Donald Trump. „Um den Dritten Weltkrieg zu verhindern“, entgegnete der Pentagon-Chef. Hinterher sagte der Ex-General zu Vertrauten, der Präsident habe das Verständnis eines „Fünft- oder Sechstklässlers“. Im Nordkorea-Konflikt gehe es ausschließlich um Führungskraft, erklärte Trump später: „Mann gegen Mann. Ich gegen Kim.“

Nach dem Chemiewaffenangriff Bashar al-Assads lautete der erste Impuls Trumps, den syrischen Diktator zu bombardieren: „Lasst ihn uns verdammt noch mal töten! Lasst uns reingehen!“ Mattis gab indessen laut Woodward die Devise aus: „Wir werden nichts von all dem tun.“

John Kelly, Stabschef

Dem früheren Heimatschutzminister und ehemaligen General werden seit Längerem Rücktrittsgelüste nachgesagt. Als Stabschef war er vor einem Jahr angetreten, mit militärischer Disziplin das Chaos im Weißen Haus einzudämmen und die Machtkämpfe zu beenden – weitgehend vergeblich. Der Präsident sei außer Kontrolle, moniert Kelly ein ums andere Mal.

Im kleinen Kreis geriet Kelly in Rage über Trump: „Er ist ein Idiot. Es ist sinnlos, ihn von irgendetwas zu überzeugen. Wir sind hier im Tollhaus. Das ist der schlimmste Job, den ich je gehabt habe.“ Kelly bestreitet, dass er Trump einen Idioten geschimpft habe. Indessen hat auch Ex-Außenminister Rex Tillerson den Präsidenten mit ebendiesem Schimpfwort bedacht.
Kelly sagt von sich selbst, er fange die Kugeln und Pfeile ab.

Gary Cohn, Ex-Wirtschaftsberater

„Das ist Verrat“, schäumte Trump, als Ex-Wall-Street-Banker Gary Cohn im Vorjahr aus Protest gegen die rassistischen Exzesse in Charlottesville seinen Rücktritt als Wirtschaftsberater einreichen wollte. Cohn hatte den Präsidenten offen kritisiert, ließ sich indes von ihm noch einmal überreden – vor allem, um Schaden von der Nation abzuwenden, wie Woodward schildert. So habe Cohn Dokumente vom Schreibtisch des Präsidenten entwendet, um zu verhindern, dass er das Handelsabkommen mit Südkorea aufkündigt. Im Fall des nordamerikanischen Freihandelsabkommens (Nafta) habe er dies nochmals versucht – freilich ohne dauerhaften Effekt, wie sich zeigt.

Cohn, der inzwischen wegen der Handelspolitik Trumps zurückgetreten ist, charakterisierte Trump als „professionellen Lügner“.

Jeff Sessions, Justizminister

Der Justizminister, der sich im Wahlkampf als einer der ersten Senatoren auf die Seite des Immobilientycoons geschlagen hat, ist eines der Lieblingsopfer des Präsidenten. Wiederholt drohte Trump ihm via Twitter den Rücktritt an. Er zog sich den Zorn Trumps zu, weil er sich als eigentlich zuständiger Minister in der Causa der Russland-Untersuchung als befangen erklärt hat – statt den Sonderermittler Robert Mueller zu feuern. Anwälte befürchten bei einer Befragung Trumps die Verstrickung in Lügen und einen Meineid.

Mit Vorliebe mokiert sich Trump über führende Mitarbeiter wie Ex-Sicherheitsberater H. R. McMaster, insbesondere jedoch über Sessions. „Er ist ein geistig zurückgebliebener Typ, ein dummer Südstaatler. Er könnte in Alabama als Provinzanwalt keinen Job finden.“

Reince Priebus, Ex-Stabschef

„Wenn du eine Schlange, eine Ratte, einen Falken, einen Hasen, einen Hai und einen Seehund in einen Zoo ohne Gitter sperrst, wird es hässlich und blutig.“ Mit dieser Metapher umschrieb Ex-Stabschef Reince Priebus die Zustände im Weißen Haus. Trump nannte Priebus indessen eine „Ratte“. Der ehemalige Stabschef spielte auf die Schreiduelle und die Intrigen an, etwa zwischen dem längst in Ungnade gefallenen Mastermind Stephen Bannon und Ivanka Trump, die überall Zugang hat und ihre Meinung kundtut. „Ich bin keine Mitarbeiterin, ich bin die First Daughter“, fuhr sie Bannon an, nachdem er sie angeblafft hatte.

Scherzhaft bezeichnete Priebus angeblich das Schlafgemach des Präsidenten, in das er sich zum Fernsehen und Twittern zurückzieht, als „Werkstatt des Teufels“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2018)

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