Die letzten Sozialdemokraten?

SPÖ-Bundesparteichef Christian Kern
SPÖ-Bundesparteichef Christian KernAPA/HANS KLAUS TECHT
  • Drucken


Am Samstag wird der Machtwechsel der pannonischen Genossen zelebriert. Statt über Personen sollte die Partei über ihre Relevanz nachdenken.

Wenn sich am Samstag die Sozialdemokraten in einer ihrer letzten Hochburgen versammeln, die sie mithilfe der FPÖ regieren und halten, wird auch wieder der aktuelle SPÖ-Bundesparteichef, Christian Kern, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Und egal, was er wie sagt, im parteifeindlichen Burgenland wird er es nicht leicht haben. Zumal die Show ohnehin den Sozialdemokraten pannonischen Typs gehört: Hans Niessl übergibt den Parteivorsitz an Hans Peter Doskozil. Man bringe den Spätsommerspritzer!

Wagen wir einmal ein Gedankenexperiment: Wie wäre es Christian Kern ergangen, wäre ein rot-blaues Bündnis in der Regierung zustande gekommen, wie das manche in seinem Umfeld andachten? Nicht gut, so viel steht fest.

Der aktuell im U-Ausschuss behandelte Skandal um den Verfassungsschutz hätte genauso passieren können (die FPÖ hätte es mit weniger und weniger wichtigen Ressorts nicht gegeben). Und die interne Rache und die Intrigen gegen die Schwarzen im Innenressort und den Verfassungsschutz, die einer der Hintergründe der Affäre sind, wären unter Rot-Blau noch genüsslicher mit Hausdurchsuchungen und Co. ausgelebt worden.

Auch die peinlichen bis beschämenden Fälle von Liederbuch bis zu den ORF-Attacken hätten Kern erröten lassen. Nur Efgani Dönmez und seine Kniefantasien wären ihm erspart geblieben.

Und weiter: Was wäre gewesen, wäre Werner Faymann statt Christian Kern in die Wahl gezogen? Nicht einmal Josef Ostermayer wird da an einen fulminanten Wahlsieg glauben. Oder besser: Faymann hätte nach einer Niederlage gehen müssen, Kern wäre immer noch ÖBB-Chef und würde über die Rettung der SPÖ in Salons philosophieren. Und irgendein armer Tropf hätte den neuen Parteichef machen müssen.

Nein, Christian Kern ist nicht das Problem der SPÖ. Sonst wäre alles leicht zu lösen. Es ist auch nicht ausschließlich das Thema Flüchtlinge und Asylpolitik, das die Genossen in Wien-Neubau so ganz anders beurteilen als jene in Eisenstadt-Umgebung, sondern die internationale Großwetterlage, die Globalisierung und wohl auch die brummende Konjunktur, die den Roten so zu schaffen machen.

Das zentrale Problem der Sozialdemokraten sind die zwei Seiten der Medaille „Mehr Wohlstand“. Auf der guten Seite steht der Erfolg der Sozialdemokraten: Mit Umverteilung (vulgo: Sozialsystem) konnten sie dieses, ihr zentrales, Versprechen einhalten. Dass Unternehmer mit ihren Steuern und Leistungen das erst ermöglichten, lassen viele gern unter den Tisch fallen, aber der Effekt war und ist unbestritten.

Auf der anderen Seite steht ein Versprechen, das sie nun nicht mehr einhalten können. Wegen neuer wirtschaftlicher Konkurrenz effizient agierender Staaten, wegen der Schuldenpolitik vergangener Jahrzehnte und eines gewissen Maßes an Saturiertheit in Bildungs- und Sozialsystemen Europas kann keiner mehr 2018 versprechen: Es wird weiter mehr für alle geben. Im Gegenteil: Die Wahrheit lautet wohl, dass es, so wie in der Vergangenheit, Phasen magerer Jahre geben wird.


Wenn Kriege und Klimawandel dann noch Hunderttausende in die Flucht treiben, wird die Verteilungsfrage noch prekärer: Dann müsste es aus streng sozialdemokratischer Sicht das „Mehr Wohlstand“ – oder eben mehr Sicherheit, die auch zum Wohlstand gehört – auch für die Neuankömmlinge geben. Diese neue Solidarität wird in den Reihen der SPÖ-Wähler aber wohl keine Mehrheit finden.

Was ist die Alternative? Klassenkampf gegen Konzerne und Arbeitgeber? Das kann eine Zeit lang für die Mobilisierung helfen. Aber wahlabendfüllend ist das nicht. Es wäre stattdessen an der Zeit, auf den Spuren von Bruno Kreisky, Franz Vranitzky und auch Alfred Gusenbauer – am besten in Absprache mit den Genossen in Berlin und den neu eingekleideten in Paris – über die Ziele und die Existenzberechtigung der Sozialdemokratie zu reden und diese zu definieren. Das wäre eine Aufgabe für Christian Kern. Nicht die tägliche Pressekonferenz. Oder die tägliche Medienkritik.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

„Solang ich regiere, wird rechts regiert“, lautete die Maxime von Bruno Kreisky (r.) als Bundeskanzler (im Bild mit Heinz Fischer).
premium

Von Renner gegen Bauer bis Doskozil gegen Kern

Linker Flügel gegen rechten Flügel, diesen Kampf gibt es seit der Gründung der SPÖ.
Der steirische SPÖ- Chef, Michael Schickhofer, will die beiden Flügel in der SPÖ vereinen: Beide Positionen seien notwendig. In der Steiermark will er 2020 Hermann Schützenhöfer als Landeshauptmann ablösen.
premium

Michael Schickhofer: „Das Ganze ist von Merkel ausgelöst worden“

Der steirische SPÖ-Landesparteichef, Michael Schickhofer, sieht sich als Vermittler in den SPÖ-Flügelkämpfen.
Christian Kern in der Welser Messehalle.
premium

Wieder einmal Wels: Die SPÖ gibt sich ein neues Programm

Die Partei will offener, basisdemokratischer und linker werden. Die Flüchtlingspolitik ist eine Ausnahme.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.