Die größte Pleite der Wirtschaftsgeschichte jährt sich zum zehnten Mal. Die "Presse am Sonntag" rekonstruiert die Ereignisse, die zum Crash von Lehman Brothers führten: Zeitzeugen erzählen von jenen Tagen, die die Welt veränderten.
Es lag etwas in der Luft an jenem Sonntagmorgen, am 14. September 2008 in Manhattan. Keine Angst und auch keine Panik wie etwa sieben Jahre zuvor nach den Anschlägen vom 11. September. Nein, vielmehr eine vorsichtige Anspannung, ein Gefühl der Unsicherheit. Ob der Kaffeeverkäufer an der 14. Straße beim Union Square, der Portier des Plaza Hotels am Central Park oder die vielen Touristen am Times Square: Sie alle wussten, dass in New York gerade etwas Historisches passiert. Mit schwerwiegenden Folgen für die Weltwirtschaft.
Nur wirklich greifbar war der Ernst der Lage für viele zumindest am Vormittag noch nicht. Man wusste, dass der damalige Chef der New Yorker Notenbank, Timothy Geithner, die wichtigsten Bankmanager zu sich zitiert hatte. Man wusste, dass es um das Überleben von Lehman Brothers geht. Man wusste, dass vieles im Argen liegt, nachdem die Aktie des riesigen Investmenthauses in der Vorwoche allein an einem Tag die Hälfte ihres Wertes verloren hatte. Aber dass die Zentralbank, alle Konkurrenten und letztlich auch die Regierung das Traditionshaus tatsächlich fallen lassen würden, daran glaubte kaum jemand. Schließlich hatte selbst die Führung von Lehman noch am Samstag versichert, dass alles gut werde, dass man an einer Lösung arbeite, die das Überleben des 1850 gegründeten Investmenttitanen sichern würde.