Journalist bei Erdogan-Pressekonferenz in Berlin abgeführt

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"Ich habe nichts getan", rief der Mann, der eine Akkreditierung für die Pressekonferenz trug. Regierungssprecher Seibert verteidigte das Vorgehen.

Der regierungskritische, türkische Journalist Ertugrul Yigit hat mit einer Protestaktion bei der Pressekonferenz der deutschen Kanzlerin Angela Merkel mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Berlin für einen kurzen Tumult gesorgt.

Der in Hamburg lebende Fotograf trug am Freitag im Kanzleramt ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift "Gazetecilere Özgürlük - Freiheit für Journalisten in der Türkei". Als es zu Unruhe kam, griffen deutsche Sicherheitskräfte ein und brachten Yigit aus der Pressekonferenz.

Regierungssprecher Steffen Seibert verteidigte das Vorgehen der Ordner. "Wir halten es bei Pressekonferenzen im Kanzleramt wie der Deutsche Bundestag: keine Demonstrationen oder Kundgebungen politischer Anliegen", twitterte Seibert. "Das gilt völlig unabhängig davon, ob es sich um ein berechtigtes Anliegen handelt oder nicht."

Yigit ist Herausgeber der regierungskritischen Onlinezeitung "Avrupa Postasi" und Autor der Berliner "tageszeitung" ("taz"). Nach seiner Aktion sagte er vor Journalisten, er kämpfe für die Menschenrechte in der Türkei. Auch die Rechte von Journalisten in der Türkei würden mit Füßen getreten.

Sicherheitskräfte befürchteten Eingreifen von Erdogan-Männern

Yigit hatte sich offiziell für die Pressekonferenz akkreditiert. Er setzte sich unauffällig mit einer Strickjacke bekleidet in die zweite Reihe der Fotografen und machte Aufnahmen. Später zog er die Jacke aus - darunter trug er das T-Shirt mit der Aufschrift. Yigit legte sich auch seine offizielle Akkreditierung wieder um, allerdings hängte er sie sich auf den Rücken, damit die Aufschrift besser zu sehen war.

Nachdem Yigit mit Gesten die Aufmerksamkeit anderer Fotografen auf sich zog, aufstand und seitlich stehend weiter fotografierte, wurden Merkel und Erdogan aufmerksam. Als die Unruhe zunahm, griffen für den Schutz Merkels zuständige Beamte ein. Ein Grund soll auch gewesen sein, dass die für den Schutz Erdogans zuständigen türkischen Sicherheitsbeamten nervös reagiert hätten, hieß es. Die deutschen Sicherheitskräfte hätten befürchtet, die türkischen Kollegen könnten sich auf den Fotografen stürzen. Yigit rief "Ich habe nichts gemacht", als er aus der Pressekonferenz gebracht wurde. Erdogan lächelte zu dem Vorfall nur.

Yigit erhielt nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur Hausverbot, ein Verfahren etwa wegen Hausfriedensbruch dürfte ihm demnach nicht drohen.

(APA/dpa/AFP)

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