Ausgerechnet NGOs haben mit Transparenz ein Problem

Themenbild: Mitarbeiterin der NGO Proactiva Open Arms.
Themenbild: Mitarbeiterin der NGO Proactiva Open Arms.(c) REUTERS (ALKIS KONSTANTINIDIS)
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Es ist verständlich, wenn der Gesetzgeber Umweltorganisationen, die diesen Namen nicht verdienen, von UVP-Verfahren ausschließen will.

Empörung rufen die jüngsten Änderungen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVP-G) hervor. Opposition, Umweltorganisationen und Verfassungsrechtler Heinz Mayer griffen dieser Tage schnaubend zum Mikrofon und ließen ihrem Unmut freien Lauf, freilich ohne den endgültigen Gesetzestext überhaupt schon zu Gesichte bekommen zu haben. Für Entrüstung sorgt vor allem, dass eine NGO künftig nachweisen muss, dass ihr Verein mindestens 100 Mitglieder hat und auch deren Namen offenzulegen hat, sofern sie in einem UVP-Verfahren Parteistellung erhalten will. Das sei nicht nur rechtswidrig, sondern auch demokratiefeindlich, so die Kritiker unisono.

Ihr Zorn hat seine Berechtigung – teilweise jedenfalls. Denn die Regierung will mit der Novelle eines erreichen: die lange Dauer von UVP-Verfahren zu verkürzen. Doch mit den neuen Regelungen wird das nicht gelingen. Die Endlosverfahren sind nämlich nur in wenigen Fällen auf die Beschwerden von NGOs zurückzuführen. Die Verfahren ziehen sich in die Länge, weil sie so konzipiert sind, dass jeder – Nachbarn, Bürgerinitiativen und NGOs – über lange Zeit so ziemlich alles behaupten und vorbringen können. Selbst wenn den Einwänden offensichtlich jedes Substrat fehlt, werden sie ausgiebig behandelt und Sachverständige zur Prüfung beauftragt. Bis es zu einer ersten Entscheidung kommt, dauert es oft Jahre. Und die zweite Instanz, das Bundesverwaltungsgericht, braucht ebenfalls Monate, um in die Gänge zu kommen, und noch länger, um zu entscheiden. Wer also ausschließlich NGOs dafür verantwortlich macht, dass etwa die 380-kV-Leitung in Salzburg noch immer nicht genehmigt ist, hat mit der Realität wenig am Hut.

Auch die Sorge, mit dem geplanten Gesetz werde gegen die Datenschutzgrundverordnung verstoßen, lässt sich nicht so einfach wegwischen. Man kann gespannt sein, wie die Regierungslegisten das Gesetz hinbiegen wollen, ohne den Datenschutz zu verletzen. Eine Lösung muss Ministerin Köstinger finden, will sie sich nicht die Blöße geben, ausgerechnet auf den Datenschutz vergessen zu haben.

Damit endet das Verständnis für die große Aufgebrachtheit allerdings schon: Denn warum kommt der Puls der Kritiker so ins Rasen, wenn die Regierung die Beteiligung an UVP-Verfahren auf Umweltorganisationen beschränken will, die eine gewisse Größe – heißt: Repräsentanz – haben? Genau das hat Sinn. Mitunter versteckt sich hinter dem Begriff „Umweltorganisation“ eine Handvoll Aktivisten, denen es weniger um seriösen Umweltschutz als um Selbstdarstellung geht. Das zeigt sich darin, dass sie „im Namen der Umwelt“ wahllos gegen unterschiedlichste Projekte zu Felde ziehen. Ihr Protest, hinter dem nicht einmal ein ehrliches Anliegen steht, kostet Zeit und noch mehr Geld. Dass der Gesetzgeber diesen Grüppchen kein Forum in Genehmigungsverfahren mehr geben will, ist legitim.


Was ist also so abwegig an dem Gedanken, dass NGOs ihre Mitglieder der Behörde nennen sollen, wenn sie Parteistellung erhalten wollen? Das geht ohnehin nur, wenn diese zustimmen. Und das werden sie wohl tun, wenn sie mit Überzeugung für eine Sache eintreten. Wer eine Bürgerinitiative unterstützt, darf auch nicht zögern, seine Daten bekannt zu geben. Warum sollte für Mitglieder von NGOs anderes gelten? Überhaupt: Jede Partei in einem Verfahren ist der Behörde bekannt. Warum sollen Mitglieder einer NGO sich hinter Anonymität verschanzen können? Was fürchten sie, was Mitglieder einer Bürgerinitiative nicht schon in der Vergangenheit zu fürchten gehabt hätten? Dass bei der Behörde ihre Namen aufliegen? Der Staat oder gar der Arbeitnehmer von ihrem Engagement erfährt? Eines ist klar: Die Behörde wird und darf diese Daten weder veröffentlichen noch weitergeben. Und wenn jemand sagt: „Man weiß ja nie, darauf vertraue ich nicht“, dem kann man nur entgegnen: Stimmt. Gegen willkürliche Aktionen Einzelner ist man trotz bester Gesetze nie geschützt. Aber sie sollten nicht als (Schein-)Argument herhalten, um die eigene fehlende Courage zu rechtfertigen. Von NGOs kann man erwarten, was sie stets von anderen fordern: Transparenz.

E-Mails an:judith.hecht@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2018)

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