Aufregung um Urteil gegen Maurer

Ex-Abgeordnete Sigrid Maurer mit Anwältin Maria Windhager beim Prozessauftakt im September. Am Dienstag fiel das Urteil.
Ex-Abgeordnete Sigrid Maurer mit Anwältin Maria Windhager beim Prozessauftakt im September. Am Dienstag fiel das Urteil.(c) APA/HANS PUNZ
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Die Ex-Nationalrätin wollte sich gegen obszöne Nachrichten wehren und wurde zu einer Strafe wegen übler Nachrede verurteilt. Der Spruch sorgt für Kritik, Maurer will in Berufung gehen.

Wien. Sigrid Maurers Versuch, sich gegen sexuelle Belästigung zu wehren, könnte sie teuer zu stehen kommen. Die frühere Grünen-Abgeordnete hatte Nachrichten, die sie via Facebook-Messenger erhalten hatte, auf Twitter gepostet und den Besitzer des Biergeschäfts, von dessen Firmenaccount die Nachrichten kamen, als Verfasser beschuldigt. Nun wurde sie dafür (nicht rechtskräftig) verurteilt. Maurer und ihre Anwältin, Maria Windhager, kündigten volle Berufung an.

Für die üble Nachrede muss Maurer nach dem Urteil von Richter Stefan Apostol 3000 Euro an den Staat zahlen. Weitere 4000 Euro für die „erlittene Unbill“ gehen an den Kläger. Dessen weitergehende Ansprüche wegen angeblichen Geschäftsrückgangs wurden auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Zudem muss Maurer die Verfahrenskosten tragen. Sigrid Maurer zeigte sich nach der Urteilsverkündung „sehr erschüttert“: Sie werde nicht klein beigeben, „wir werden in Berufung gehen und das Geld dafür aufstellen. Es ist eindeutig, dass er es gewesen sein muss.“

Maurer „sehr erschüttert“

Maurer hatte am 30. Mai Screenshots der Nachrichten gepostet – samt Hinweis auf den Inhaber des Craft-Beer-Geschäftes. Dieser wurde darauf beschimpft, sein Lokal erhielt schlechte Bewertungen, der Mann wurde bedroht. Der 40-Jährige bestritt, der Verfasser zu sein, und klagte. Er schloss sich dem Verfahren mit 20.000 Euro an, da er seiner Meinung nach materiellen Schaden erlitten habe. Hinzu kommen medienrechtliche Anträge auf Entschädigung in Höhe von 40.000 Euro. Der Lokalbesitzer meinte, sein PC samt Facebook-Account wäre auch Gästen zur Verfügung gestanden, er habe die Nachrichten nicht verfasst.

Richter Apostol machte in seiner ausführlichen Urteilsbegründung klar, dass der Tatbestand der üblen Nachrede „massiv“ gegeben war und Maurer ihre Postings auch zugab. Nicht strafbar wäre dies nur dann, wenn die Angeklagte den Wahrheitsbeweis erbracht hätte. Das sei nicht gelungen. Vom Vorwurf der Kreditschädigung gab es einen Freispruch, weil die subjektive Tatseite nicht gegeben war.

Da Twitter als Medium gilt, gab es auch einen Schuldspruch nach dem Medienrecht wegen Verstoßes gegen die journalistische Sorgfaltspflicht. Die Gegenseite hätte befragt werden müssen. Verteidigerin Windhager kritisierte es als absurd, dass ihre Mandantin den Belästiger auch noch hätte kontaktieren sollen.

Apostol machte deutlich, er würde dem Bierladenbesitzer so gut wie nichts glauben. Es sei aber nicht gelungen, nachzuweisen, dass dieser die anzüglichen Texte wirklich geschickt habe. Es kämen auch andere infrage. „Wir können nicht klären, wer es war.“ Mildernd rechnete der Richter, dass Maurer aus „achtenswerten Beweggründen“ gehandelt habe. Er sei mit der Strafe im unteren Viertel geblieben. Aber selbst der Richter ließ Kritik am Rechtssystem anklingen: „Was Ihnen angetan wurde, ist nicht strafbar – das steht aber auf einem anderen Blatt.“

Die Aufregung um das Urteil ist jedenfalls groß: So kritisieren etwa Sprecher des Frauenvolksbegehrens, der Rechtsstaat lasse Frauen im Stich. Die Notwendigkeit, dass bei negativen Äußerungen der Wahrheitsbeweis angetreten werden muss, sei zu respektieren, doch der Fall zeige auf, dass sich Opfer von Hassnachrichten kaum wehren können. Man spreche sich klar für eine Verwaltungsstrafe für Hate Speech im Netz aus.

Forderung nach Anpassung

Schon Maurer hatte ursprünglich darauf hingewiesen, sie könne sich juristisch nicht zur Wehr setzen, also habe sie sich zur Veröffentlichung entschieden. „Was Maurer gemacht hat, war erkennbar eine Notwehraktion“, sagt Medienanwalt Michael Pilz. Auch wenn das Urteil „formal wohl nicht zu bekritteln“ sei, kritisiert er: „Rechtspolitisch muss etwas geändert werden.“ Dabei sei selbstverständlich auf die Interessen beider Parteien Bedacht zu nehmen. Entsprechende rasche Änderungen hält der Medienanwalt für wahrscheinlich: „Die #MeToo-Bewegung hat es in einem Jahr geschafft, viel zu bewegen.“ Da könne die Politik nicht daran vorbeigehen. (APA/cim)

AUF EINEN BLICK

Schuldspruch. Mit einem nicht rechtskräftigen Urteil wegen übler Nachrede, aber einem Freispruch vom Vorwurf der Kreditschädigung hat am Dienstag der Prozess gegen die frühere grüne Abgeordnete Sigrid Maurer am Landesgericht Wien geendet. Maurer hatte auf Facebook obszöne Nachrichten erhalten, diese dann via Twitter veröffentlicht und den Besitzer eines Bierlokals beschuldigt, von dessen Firmen-Account die Postings stammten. Dieser klagte sie daraufhin. Zudem muss die 33-Jährige die Kosten des Verfahrens übernehmen. Maurer hat Berufung angekündigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2018)

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