Migration: Was im UNO-Pakt wirklich steht

UN-Generalsekretär António Guterres
UN-Generalsekretär António Guterres imago/Xinhua
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Die Regierung argumentiert den Ausstieg mit Erhaltung der nationalen Souveränität. International gibt es heftige Kritik.

Wien. Nach der Ankündigung Österreichs, aus dem globalen Migrationspakt auszusteigen, war der internationale Aufschrei groß. UN-Generalsekretär António Guterres erklärte, dass er die Entscheidung „sehr bedauere“, ähnlich äußerte sich die UN-Sonderbeauftragte für internationale Migration, Louise Arbour. Was will die Regierung damit erreichen? Die wichtigsten Antworten.

1. Steht Österreich nach dem Ausstieg aus dem Migrationspakt international isoliert da?

Mit dem Rückzug aus dem globalen UN-Migrationspakt stellt sich Österreich gegen die große Mehrheit der Staaten. Bisher tragen 190 von 193 Ländern die Vereinbarung mit. Die österreichische Haltung stößt auch deshalb auf Unverständnis, weil Wien das Abkommen aktiv mitverhandelt hat, in seiner Funktion als EU-Ratsvorsitz auch im Namen der Union. Außerdem erhob Österreich beim Abschluss der Verhandlungen im Juli keinen Einspruch. Ganz allein ist die Regierung mit ihrer Position aber nicht: Die USA und Ungarn haben bereits erklärt, sich an dem Pakt nicht zu beteiligen. Bedenken gegen das Abkommen gibt es auch in Ländern wie Australien, Polen und Tschechien.

2. Was steht denn eigentlich drin in dem globalen Abkommen?

Das 34-seitige Abkommen legt Grundsätze für den Umgang mit Migranten (und nicht mit Flüchtlingen) fest und setzt auf intensivere Kooperation zwischen den einzelnen Staaten. Im Papier werden 23 Ziele definiert. Dazu zählen die Absicht, die Armut in den Herkunftsländern zu bekämpfen, Migranten einen Zugang zu Sozialleistungen zu gewähren und Menschenschmuggel zu unterbinden. Um das zu erreichen werden verschiedenste praktische Maßnahmen genannt, die aber ausdrücklich Vorschläge sind. Die Staaten können frei wählen, was sie davon umsetzen.

3. Warum ist die Regierung aus der Vereinbarung ausgestiegen?

Vorbehalte gegen den Migrationspakt hatte vor allem die FPÖ. Bereits seit Wochen wird auch auf rechtsextremen Seiten Stimmung gegen den Pakt gemacht. Die Bundesregierung argumentiert den Austritt plakativ: Man wolle weiterhin selbst entscheiden, wer nach Österreich kommen darf. Es gebe kein Menschenrecht auf Migration. Der Pakt würde außerdem nicht zwischen legaler und illegaler Migration unterscheiden, und der allgemeine Tenor des Papiers wäre zu migrationsfreundlich. Konkret lehnt Österreich 17 Punkte ab – von der Erleichterung der Familienzusammenführung über die Ansiedlung von Klimaflüchtlingen bis hin zur Verhinderung von Sammelabschiebungen.

4. Ist der Pakt eine Gefahr für Österreichs Souveränität?

Nein. Das wird darin mehrmals betont. „Der Globale Pakt bekräftigt das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen, sowie ihr Vorrecht, die Migration innerhalb ihres Hoheitsbereichs in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht selbst zu regeln“, heißt es schon in Absatz 15. Im selben Punkt wird auch klar betont, dass die Staaten selbst „zwischen regulärem und irregulärem Migrationsstatus unterscheiden“ dürfen. Österreich ist ohnehin schon durch viele andere internationale Verträge gebunden. So sieht schon die Europäische Menschenrechtskonvention ein Verbot von Sammelabschiebungen vor.

5. Vermischt der Pakt wirklich legale und illegale Migration?

Der Begriff Migration wird tatsächlich nie ganz klar definiert. Sie ist grundsätzlich aber positiv konnotiert und wird mitunter als „Quelle des Wohlstands und der Innovation“ bezeichnet. Allerdings warnt der Pakt auch vor negativen Konsequenzen irregulärer Migration und bekennt sich dazu, diese reduzieren zu wollen. Das Abkommen fordert von den Herkunftsländern eine „sichere und würdevolle Rückkehr und Wiederaufnahme“ abgewiesener Migranten.

6. Ist der UN-Migrationspakt nun völkerrechtlich verbindlich oder nicht?

Nein. Schon in der Präambel steht, dass der Pakt einen „rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen“ darstellt. Die Regierung befürchtet allerdings, dass aus dem Pakt ein Völkergewohnheitsrecht entstehen könnte. Dem widerspricht Völkerrechtsexperte Manfred Nowak. Völkergewohnheitsrecht könne nur aus einer konkreten politischen Praxis von Staaten entstehen. Angesichts der restriktiver werdenden Einwanderungspolitik vieler Staaten gehe der Trend aber in die entgegengesetzte Richtung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2018)

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