Von Österreichs Personalnot und ungeschickten Balztänzen

Der Zugang zur Mindestsicherung wurde für Ausländer mit einer Wartefrist versehen. Darüber hinaus wurde die Regierung nicht müde zu betonen, dass rund 60 Prozent der Sozialhilfebezieher einen sogenannten Migrationshintergrund haben.
Der Zugang zur Mindestsicherung wurde für Ausländer mit einer Wartefrist versehen. Darüber hinaus wurde die Regierung nicht müde zu betonen, dass rund 60 Prozent der Sozialhilfebezieher einen sogenannten Migrationshintergrund haben.(c) Clemens Fabry
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Politisches Klima, aber auch gewisse Branchen selbst tragen derzeit wenig dazu bei, dass sich begehrte Arbeitskräfte nach Österreich locken lassen.

Von großer Zuneigung zu Zuwanderern war seitens der türkis-blauen Regierung bisher wenig zu spüren. Eher Gegenteiliges könnte konstatiert werden, betrachtet man bisher ergriffene Maßnahmen, die meistens ein Ziel haben: Migration einzudämmen.

Da wurde etwa das Kindergeld indexiert, was etwa für die vielen in Österreich arbeitenden Pflegerinnen aus Ungarn oder Rumänien empfindliche Einbußen bedeutet. Der Zugang zur Mindestsicherung wurde für Ausländer mit einer Wartefrist versehen. Darüber hinaus wurde die Regierung nicht müde zu betonen, dass rund 60 Prozent der Sozialhilfebezieher einen sogenannten Migrationshintergrund haben. Das bedeutet, dass mindestens ein Elternteil im Ausland geboren ist – was freilich nichts über die Staatsbürgerschaft aussagt.

FPÖ-Innenminister Herbert Kickl brüstet sich gern mit gestiegenen Abschiebungszahlen – und abgeschoben werden seit Antritt dieser Regierung auch junge Asylwerber, die sich gerade in einer Lehre befinden. Im Übrigen sehr zum Unmut mancher ÖVP-Landeshauptleute. Vor Kurzem wurde auch abgeschafft, dass Asylwerber während ihres laufenden Verfahrens eine Ausbildung beginnen können. Das war zuvor in Mangelberufen schon möglich.

So weit, so gewöhnlich und erwartbar. Immerhin wurde diese Regierung für ihren restriktiven Umgang mit Migranten mit breiter Mehrheit gewählt. Eine Nebenwirkung ist der Personalmangel, mit dem Österreich zunehmend zu kämpfen hat. Das geht unter anderem damit einher, dass die größten Albträume der Österreicher Wirklichkeit werden: Skihütten bleiben zu, Herde im Wirtshaus kalt, weil die Köche fehlen. Für Angehörige finden sich keine Pflegekräfte. Wer eine Baustelle hat, wartet oft wochen- und monatelang auf verfügbare Handwerker.

Das ist ein unerträglicher Zustand, und die Regierung versucht, dem nun entgegenzuwirken, indem die Regelungen für die sogenannte Rot-Weiß-Rot-Karte gelockert werden. Diese Karte ist nichts anderes als eine Arbeitserlaubnis für Drittstaatsangehörige – es gab sie auch schon bisher. Der erwartete Ansturm auf die österreichische Arbeitsgenehmigung setzte aber nicht ein – im Gegenteil: Ausländische Arbeitskräfte gehen zunehmend lieber in andere EU-Staaten als nach Österreich.

Ein Mitgrund wird wohl atmosphärischer Natur sein – das politische Klima gegenüber Zuwanderern ist für Migranten derzeit kaum frohlockend. Eine weitere Problemwurzel liegt aber woanders: nämlich dort, wo man sich fragen muss, warum denn manche Branchen schon seit Längerem kaum österreichische Staatsbürger für sich begeistern können.

Die Gründe sind meist ausgiebig analysiert, wenig kompliziert und durchaus bekannt: Die Arbeitsbedingungen lassen zu wünschen übrig. Harte körperliche Arbeit, lange Arbeitstage, Schichtdienst, kaum Freizeit – das alles ist wenig attraktiv und für jene, die sich den Traum einer Familie verwirklichen wollen, oft auch kaum machbar. Diesen großen Entbehrungen steht dann noch häufig schlechte Bezahlung gegenüber, die nicht ansatzweise als Schmerzengeld gewertet werden kann.

Die unterdurchschnittliche Bezahlung dürfte übrigens auch ein Grund sein, warum die Rot-Weiß-Rot-Karte bisher oft nicht in Anspruch genommen wurde – besser gesagt, werden konnte. Wer diese beantragt, muss nämlich etwa ein monatliches Mindesteinkommen von 2565 Euro brutto monatlich nachweisen. Eine Summe, die viele aber nicht ansatzweise verdienen. Nicht zuletzt deswegen werden die Mindesteinkommensgrenzen jetzt gesenkt.

Es liegt nun also nicht nur an der Politik, die ersten Schritte auf die begehrten und benötigten Arbeitskräfte zuzugehen. Gewisse Branchen sollten dringend selbst an einem besseren Image arbeiten. Sie müssen den begehrten Arbeitskräften etwas bieten, sie besser bezahlen, ihnen ein gutes Leben neben dem Job ermöglichen. Best-Practice-Beispiele finden sich etwa in der IT-Branche ebenso wie in Technikberufen.

E-Mails an: anna.thalhammer@diepresse.com

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