Moskau: Eine Teenagerin als Todesengel

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Moskau Eine Teenagerin Todesengel(c) AP
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Die Moskauer Selbstmordattentäterinnen waren Witwen getöteter Kämpfer - 17 und 20 Jahre alt. Als Drahtzieher der Anschläge gilt Umarow, der einen unabhängigen islamischen Staat im Nordkaukasus schaffen will.

Wien/moskau. Die Pistole in ihrer Rechten ist senkrecht nach oben gerichtet, ihr Kinn hat sie vorgeschoben, und mit finsterem Blick schaut die Schwarzverschleierte mit dem noch kindlich-gerundeten Gesicht in die Kamera. Neben dem Mädchen ein junger Mann im Karohemd, der seinen Arm – Pistole in der Hand – um ihren Oberkörper schlingt, als wolle er sie mit der Waffe beschützen. Fast könnte man die Aufnahme, die die russische Zeitung „Kommersant“ in ihrer Freitagsausgabe veröffentlichte, für einen Kostümscherz halten: Ein Pärchen inszeniert sich als radikalislamische Revolverhelden, ein Quäntchen zu angestrengt grimmig dreinschauend.

Die Aufnahme sei jedoch kein Scherz, sagen russische Ermittler, sondern bitterer Ernst. Die junge Frau auf dem Bild, Dschennet Abdurachmanowa, 17 Jahre jung, soll für einen der beiden Anschläge in der Moskauer Metro von Montagfrüh verantwortlich sein. Abdurachmanowa habe 39 Menschen in den Tod gerissen. Eine Teenagerin als „Smertnica“, wie sie in Russland genannt werden, als Selbstmordattentäterin? Ja, sagen die Beamten. Die junge Frau auf dem Foto stamme aus der nordkaukasischen Teilrepublik Dagestan. Abdurachmanowa sei die Witwe des Separatisten Umalat Magomedow, dem jungen Mann auf dem Foto neben ihr.

„Emir von Dagestan“ gerächt?

Magomedow ist beim russischen Geheimdienst FSB kein Unbekannter. Der selbst ernannte „Emir von Dagestan“, wurde am 31.Dezember des vergangenen Jahres bei einem Polizeieinsatz erschossen.

Der FSB macht den 30-jährigen Magomedow für eine Reihe schwerer Verbrechen verantwortlich. Unter anderem soll er für eine Autobombe verantwortlich sein, die am 6. Jänner in der dagestanischen Hauptstadt Machatschkala explodierte und fünf Polizisten tötete. Und er soll dem „Emir vom Kaukasus“, Doku Umarow, nahegestanden sein. Umarow, der einen unabhängigen islamischen Staat im Nordkaukasus schaffen will, gilt als Drahtzieher der Anschläge vom Montag. Laut „Kommersant“ hat das Mädchen als 16-Jährige ihren späteren Partner im Internet kennengelernt. Nach einem ersten Treffen habe Magomedow die junge Frau zu einem Zusammenleben mit ihm gezwungen. Ob die beiden verheiratet waren, ist unklar: Auf der Fotografie tragen sie jedenfalls keine Eheringe.

Wie aus der jungen Frau eine Selbstmordattentäterin werden konnte, ist nicht bekannt. Man mutmaßt, dass sie nach dem gewaltsamen Tod ihres Mannes unter Einfluss radikalislamischer Gruppen gekommen ist.

Bei der zweiten Attentäterin soll es sich nach Informationen der Zeitung „Trud“ um eine 20-jährige Tschetschenin namens Marcha Ustarchanowa handeln. Die Witwe eines im Oktober 2009 in Gudermes getöteten Rebellen ist seit dem vergangenen Sommer als vermisst gemeldet. Sie soll ihren Mann ebenfalls per Internet kennengelernt haben – offenbar ein häufiges Mittel fundamentalistischer Rebellen, potenzielle Selbstmordattentäterinnen zu rekrutieren.

Die beiden Attentäterinnen sind laut „Kommersant“ mit dem Bus von der Stadt Kisljar in Dagestan aufgebrochen – dort, wo am Mittwoch bei einem Doppelanschlag zwölf Menschen ums Leben gekommen waren. Kisljar gelte als idealer Ausgangspunkt für Rebellen auf dem Weg nach Moskau, weil es gleich an der Grenze zu Tschetschenien liege und gute Zug- und Busverbindungen in die russische Hauptstadt habe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2010)

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