Bundesrat auf Montesquieus Spuren

BUNDESRAT: KOeSTINGER
BUNDESRAT: KOeSTINGERAPA/GEORG HOCHMUTH
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Die Länderkammer stoppt mit den Stimmen der SPÖ ein Vorhaben der Regierung. Es war eine bemerkenswerte Sitzung rund um Gewaltenteilung, Borkenkäfer und Faschingsreden.

Wien. Oft gilt der Bundesrat als das wenig beachtete Stiefkind des Parlaments. Doch an diesem Donnerstagmorgen herrscht Gedränge auf der Bühne des Bundesrats, manche Zuseher finden keinen Sitzplatz auf der Besuchergalerie und müssen stehen. Interessiert sich das Volk also für den Bundesrat, weil dieser erstmals ein wichtiges Gesetz verhindern kann?

Nein, wie sich herausstellt, geht der Ansturm auf Schlachtenbummler des neuen Bundesratspräsidenten, Ingo Appé (SPÖ), zurück. Der Bürgermeister der Kärntner Gemeinde Ferlach tritt mit dieser Sitzung sein Amt als Vorsitzender der Länderkammer an, seine aus Ferlach angereisten Begleiter applaudieren ihm fleißig.

Dass diese Bundesratssitzung keine gewöhnliche ist, zeigt sich aber bereits, als der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser zur Länderkammer spricht. Der Vorsitzende der Landeshauptleute (er begrüßt auch die Zuseher an „den Internetgeräten“) referiert über die Gewaltenteilung im Sinn des französischen Staatstheoretikers Montesquieu. Die Exekutive (also die Regierung) habe jene Gesetze zu vollziehen, die die Legislative (das Parlament) mache. Und ganz wichtig sei in einer Demokratie, dass man miteinander rede.

Die SPÖ-Fraktion im Bundesrat findet, dass die Regierung zu wenig mit ihr redet. Heute kann sie sich dafür revanchieren. In den meisten Fällen darf der Bundesrat Gesetze nur verzögern, und selbst das passiert in Anbetracht der türkis-blauen Mehrheit nicht. Doch diesmal steht die Ökostromnovelle auf der Tagesordnung. Und es gibt in der Verfassung eine Sonderregel. Wenn Länder durch Verfassungsrecht in ihrer Zuständigkeit eingeschränkt werden, muss der Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit zustimmen, sonst ist die Novelle gescheitert.

Taferl versus Taferl

Das Ökostromgesetz ist so eine Materie. Die SPÖ stellt im Bundesrat, der nach dem Ergebnis der neun Landtagswahlen zusammengesetzt wird, 21 der 61 Mandatare. Sie hat damit genug Sitze, um das Gesetz im Alleingang aufhalten zu können. Aber ist das Veto der SPÖ sachlich berechtigt? Nein, meinen die Vertreter der Koalition und werfen den Sozialdemokraten vor, Arbeitsplätze und Energieversorgung zu gefährden. „Wer Ökostrom abdreht, dreht Atomstrom auf“, sagen mehrere Redner der Regierungsfraktionen am Pult. Damit die Message Control nicht zu kurz kommt, werden später Taferln mit diesem Satz in die Höhe gehalten. Diese sind in Türkis gehalten, aber auch die FPÖ-Mandatare halten sie hoch.

Doch die SPÖ hat ebenfalls Taferln gebastelt. „Mehr Ökostrom“ steht auf den einen, um den Atomstromvorwurf zu entkräften. „Kein Blankoscheck“ steht auf dem anderen. Damit ist gemeint, dass Umweltministerin Elisabeth Köstinger nicht allein die Fördersätze verordnen können soll. Zwischenzeitlich halten sich Abgeordnete der Regierungsfraktionen und der SPÖ gegenseitig ihre Schilder vor die Nase. Das nützt aber nichts, vom Schild der jeweils anderen Fraktion lässt sich dann doch kein Abgeordneter überzeugen.

Dabei herrscht im Bundesrat eine sonst recht gemütliche Stimmung. Man duzt sich oft gegenseitig vom Rednerpult. Man sagt zum jeweils anderen, dass die soeben gehaltene Ansprache wohl eine Faschingsrede gewesen sein müsse. Die ÖVP schreibt einen Liedertext von STS um: „Es wird kalt und immer kälter, die SPÖ wird abgebrüht und älter“, wird vom Rednerpult aus zum Thema Energie gedichtet.

In der Sache bleiben die Fronten verhärtet. Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) wirft der SPÖ vor, das Gesetz nur zu verhindern, weil sie den Abschied von der Macht nicht verkrafte. Dabei gehe es um eine vorläufige Lösung. Man wolle Ökostromkraftwerke sichern und so Forstwirten ermöglichen, das vom Borkenkäfer angefressenen Holz zu verkaufen.

Grüne stimmen mit

Die zwei im Bundesrat vertretenen Grünen stimmen dem Koalitionsplan zu. Sie sind mit der Vorgangsweise der Regierung nicht einverstanden, aber das Gesetz sei richtig. Die SPÖ bleibt hart und kritisiert, dass die Koalition das Gesetz ohne Begutachtung und ohne ausreichende Gespräche beschließen möchte. Wenn man wolle, könne man schon am nächsten Tag über ein neues Gesetz verhandeln und dieses rasch beschließen, sodass niemand zu Schaden komme.

Am Ende wird namentlich abgestimmt. Auch der Bundesratspräsident gibt seine Stimme ab, sie ist die entscheidende. Die SPÖ hat das Gesetz verhindert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2019)

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