Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban wehrt sich gegen Forderungen, seine rechtskonservative Partei Fidesz aus der Europäischen Volkspartei (EVP) auszuschließen und kündigt eine neue Anti-Brüssel-Plakatserie an.
Eine umstrittene Plakat-Kampagne in Ungarn hat die Debatte entfacht, die rechtskonservative Partei Fidesz aus der Europäischen Volkspartei (EVP) auszuschließen. Die Plakate richteten sich vor allem gegen den den EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, der als Spitzenkandidat der EVP in die Funktion gewählt wurde.
In der deutschen Zeitung "Welt am Sonntag" wehrt sich ungarische Ministerpräsident Viktor Orbaner gegen die Forderungen vieler EVP-Mitglieder und wirft Kritikern vor, eine "Salamitaktik" anzuwenden: "Wenn es uns nicht mehr gibt, werden sie die Italiener angreifen und danach kommen die Österreicher an die Reihe."
Vergangene Woche hatten Vertreter mehrerer christdemokratischer Parteien in Europa gefordert, Fidesz aus der EVP auszuschließen. Auch der EVP-Spitzenkandidat für die Europawahl, Manfred Weber (CSU), hatte das als Option bezeichnet. Aus Österreich gehört die ÖVP zur EVP.
Orban nannte seine Kritiker in der EVP "nützliche Idioten" der Linken. "Während sie einen geistigen Kampf zu führen glauben, dienen sie den Machtinteressen anderer, ja denen unserer Gegner." In Wirklichkeit komme "der Angriff von links, nicht um uns, sondern um die EVP zu schwächen", sagte der rechtskonservative Regierungschef der "Welt am Sonntag".
Neue Anti-Brüssel-Kampagne
Zugleich kündigte Orban neue Anti-Brüssel-Plakate an. "In der nächsten Phase des Wahlkampfs, die dann schon unsere Parteikampagne sein wird, werden Sie einen weiteren Akteur auf den Plakaten sehen: Herrn Timmermans." Timmermans ist der Vizepräsident der EU-Kommission und zuständig für Rechtsstaatlichkeit. Der Niederländer ist zudem Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten bei der EU-Wahl.
Im September hatte das Europaparlament ein Strafverfahren gegen Ungarn wegen der Verletzung von Grundwerten eingeleitet. Die Abgeordneten kritisierten dabei Angriffe auf die Unabhängigkeit der Justiz, die Einschränkung der Medienfreiheit und der Rechte von Minderheiten sowie das Vorgehen gegen Nichtregierungsorganisationen.
Erst am Samstag hatte die ungarische Regierung angekündigt, umstrittene Plakat-Kampagne gegen den EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker am 15. März zu beenden. Seit eineinhalb Wochen hängen in ganz Ungarn Plakate, auf denen der EVP-Politiker Juncker und der liberale US-Milliardär ungarischer Herkunft, George Soros, unvorteilhaft abgebildet sind. Darunter stehen Behauptungen, die suggerieren, die beiden wollten illegale Migration nach Europa fördern. Die EU-Kommission hatte diese Behauptungen mehrfach Punkt für Punkt widerlegt. Nun soll Timmermans neben Soros auf den neuen Plakaten abgebildet sein, wie Orban sagte.
Acht EVP-Parteien wollen Ausschluss von Fidesz
Die Kampagne hatte vor allem innerhalb der Parteienfamilie der Europäischen Volkspartei (EVP) Empörung ausgelöst. Ihr gehören neben der Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban aus Österreich die ÖVP oder aus Deutschland CDU und CSU an.
Mindestens acht EVP-Mitgliedsparteien verlangen den Ausschluss von Fidesz aus der EVP. Kramp-Karrenbauer und EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU), EVP-Spitzenkandidat bei der EU-Wahl im Mai und Anwärter auf Junckers Präsidenten-Amt, hatten die Plakataktion gleichfalls scharf verurteilt, sich aber den Rufen nach einem Fidesz-Ausschluss aus der EVP bisher nicht angeschlossen. ÖVP-Chef, Bundeskanzler Sebastian Kurz nannte die Kampagne inakzeptabel, einen Parteiausschluss von Fidesz hat er bis dato aber immer abgelehnt; der ÖVP-Delegationsleiter und Spitzenkandidat Othmar Karas forderte eine Suspendierung der Orban-Partei.
Weber: Verhältnis "äußert kompliziert"
Der EVP-Spitzenkandidat Weber hatte etwa in der Samstagsausgabe der tschechischen Tageszeitung "Lidove noviny" das gegenwärtige Verhältnis zwischen der EVP und Orbans Fidesz-Partei als "äußerst kompliziert" bezeichnet. Das Verhalten der ungarischen Regierung erschwere die Zusammenarbeit, sagte er.
Weber pochte auf die "die Einhaltung der Grundprinzipien wie Rechtsstaatlichkeit, unabhängige Medien und Gerichte, Kampf gegen Korruption und Freiheit der wissenschaftlichen Forschung". Darauf basiere die ganze Europäische Union. Als Kommissionspräsident "würde ich keinen Kompromisse kennen, würde ich mich streng daran halten, dass niemand in der Union diese Prinzipien verletzen kann", betonte Weber. In Zukunft müsse die Schaffung von Sanktionen erwogen werden, die verhängt werden könnten, sollten EU-Mitgliedstaaten diese Grundprinzipien verletzen.
Laut Weber läuft eine "komplizierte Debatte" mit Fidesz über die auch international umstrittenen Gesetzesregeln, die unter Orban in Ungarn im Zusammenhang mit den Universitäten und Nicht-Regierungsorganisationen eingeführt wurden. Aus diesem Grund hätten auch EVP-Abgeordnete im Europaparlament für die Einleitung des laufenden EU-Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn gestimmt. Das sei das "stärkste Mittel, das uns zur Verfügung steht", zitierte die amtliche Ungarische Nachrichtenagentur (MTI) aus dem Weber-Interview mit "Lidove noviny". "Es ist unsere Aufgabe, gegen einen Staat aufzutreten, der die Grundprinzipien verletzt." Dabei gebe es keine Ausnahme, betonte Weber.
(APA)