Die „lebensbegleitende Strafe“ des Karl-Heinz Grasser

Peter Hochegger, Walter Meischberger, Norbert Wess, Manfred Ainedter und Karl Heinz Grasser im Wiener Straflandesgericht.
Peter Hochegger, Walter Meischberger, Norbert Wess, Manfred Ainedter und Karl Heinz Grasser im Wiener Straflandesgericht. (c) APA, Hans Punz
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Der Hauptangeklagte im Buwog-Prozess wirft der Staatsanwaltschaft „tatsachenwidrige“ Vorwürfe vor, die Zahl 960 sei „ein absolutes Nullum“ gewesen. Sein Trauzeuge Meischberger zieht indes einen „Baum-Hund"-Vergleich.

„Seit zehn Jahren verfolgt die Staatsanwaltschaft den falschen Mann. Seit 17 Monaten sitze ich hier zu Unrecht auf der Anklagebank.“ 90 Verhandlungstage hat der frühere Finanzminister Karl-Heinz Grasser bereits als Hauptangeklagter im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts für Strafsachen hinter sich – eine Zeit, die er als „lebensbegleitende Strafe“ ansieht und während der er größtenteils schweigen musste. Heute, Donnerstag, aber durfte der 50-Jährige wieder das Wort erheben und sich zu den bisher gehörten Zeugen äußern – und er tat es ausgiebig.

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Mehr als zwei Stunden lang zitierte Grasser immer wieder aus der Anklageschrift der beiden Oberstaatsanwälte Alexander Marchart und Gerald Denk, und nannte dort Geschriebenes „tatsachenwidrig“, „absolut falsch“ und „zusammengereimt“. So etwa den Vorwurf, dass er „pflichtwidrig“ Informationen aus dem Bieterverfahren weitergegeben haben soll – konkret die Zahl 960 bzw. 960,65. Dabei handelte es sich um die Finanzierungszusage im ersten Angebot der CA Immo – sie wetteiferte im Bieterverfahren um die 2004 zur Privatisierung stehenden rund 60.000 Bundeswohnungen mit dem letztlich siegreichen „Österreich-Konsortium“ um Immofinanz und Raiffeisenlandesbank Oberösterreich. „Ich möchte vorausschicken, dass diese 960,65 Millionen Euro in ihrer Bedeutung aus meiner Sicht ein absolutes Nullum waren“, betonte Grasser. „Diese Zahl hat absolut nichts für die zweite verbindliche Bieterrunde bedeutet.“ Dort seien „die Karten völlig neu gemischt“ worden.

Er selbst, so Grasser, habe von dieser Zahl auch nicht – wie von der Anklage behauptet – am 4. Juni 2004 erfahren, als die ersten Angebote bei einem Notar geöffnet wurden, sondern „in der Präsentation von Lehman Brothers (der Investmentbank, die die Privatisierung betreute, Anm.) vom 7. Juni“. Überhaupt sei dieser Zahl erst im Nachhinein, wohl auch aus parteipolitischem Interesse, „eine künstlich virtuelle Bedeutung gegeben“ worden; nämlich die der „Maximalfinanzierungszusage", der „Obergrenze".

„Weder Haider noch ich haben vergessen, was war"

Weitere Unrichtigkeiten, hervorgerufen abermals durch die Anklageschrift, ortete Grasser bei terminlichen Dingen: Eine Sitzung der Auswahlkommission vom 8. Juni 2004 sei abgesagt worden, erinnerte er. Allerdings nicht, um die Kommission zu übergehen, sondern weil die Sitzung auf den 13. Juni „nachverlegt“ wurde. Der Grund: Der 8. Juni sei als „Zuschlagssitzung" geplant gewesen - die Kommission hätte da zusammentreten sollen, um final zu entscheiden. „Da die Angebote am 4. aber anders waren, als man es erwartet hat, musste man den 7. einziehen, um zu sehen, wie geht man jetzt um mit den Angeboten." Daher habe ein „Zuschlagstermin" am 8. Juni keinen Sinn mehr gemacht, hatte man sich doch auf eine zweite Bieterrunde geeinigt.

Wer aus dieser als Sieger hervorging sei ihm überdies „völlig egal gewesen“, beteuerte Grasser. Ziel sei lediglich der maximale Erlös für die Republik Österreich gewesen. Daher habe er auch gehofft, dass das Land Kärnten von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch machen würde - dazu kam es allerdings nicht. Zu seinem Verhältnis mit dem damaligen Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ/BZÖ) merkte Grasser an, dass sie sich überworfen, dann aber wieder „im Sinne der Sache“ zusammengerauft hatten. Aber: „Weder Haider noch ich haben vergessen, was vorgefallen war" – nämlich die Spaltung der FPÖ in Knittelfeld im Jahr 2002 sowie Grassers Einstieg als parteiunabhängiger Finanzminister in die Neuauflage der Regierung unter Kanzler Wolfgang Schüssel. „Das Verhältnis ist abgekühlt geblieben.“

„Der Baum“ - alias Walter Meischberger

Nach Grasser ergriff dessen Trauzeuge, der Zweitangeklagte Walter Meischberger, das Wort - und zog einen seltsam anmutenden Verglich: Um zu erklären, warum sich Kärntens Ex-Finanzlandesrat Karl Pfeifenberger (FPÖ) im Zeugenstand nicht an Meischbergers Tätigkeit erinnern konnte, meinte er: „Ich nehme an, dass er nichts mit mir zu tun haben wollte. Weil es in der Politik so ist: Mal ist man der Hund, mal ist man der Baum. Ich war in den letzten zehn Jahren der Baum, und da sind sehr viele Hunde vorbei gekommen. (...) Und dann riecht der Baum irgendwann streng und da will dann keiner was damit zu tun haben.“ 

Die Verhandlung wird am 7. Mai fortgesetzt.

Die Vorwürfe auf einen Blick

Causa Buwog: Die Korruptionsstaatsanwaltschaft geht davon aus, dass rund um die Privatisierung der Bundeswohnungen im Jahr 2004 Bestechungsgeld geflossen ist (9,6 Millionen Euro). Gekommen sein soll das Geld von dem im Bieterverfahren siegreichen Österreich-Konsortium um Immofinanz und RLB OÖ – geflossen über Umwege auf diverse Konten. Die Zahlung ist seit 2009 erwiesen, offen ist die Frage: Hat der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser Informationen weitergegeben, um sich (und andere) zu bereichern? Und: Teilten sich Grasser, sein Trauzeuge Walter Meischberger, der Immobilienmakler Ernst Karl Plech und der Lobbyist Peter Hochegger die Provision auf?

Causa Terminal Tower: Wie beim Buwog-Deal soll auch hier ein „Tatplan“ (bei Privatisierungsprojekten serienweise „mitschneiden“) befolgt worden sein. Und zwar: Grasser soll einen Teil der 200.000-Euro-Provision eingesteckt haben, die für die Einmietung der oberösterreichischen Finanzdienststellen in den Linzer Terminal Tower geflossen sein soll.

Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe, lediglich Peter Hochegger legte ein Teilgeständnis ab. Es gilt die Unschuldsvermutung. 

Parteispenden-Affäre: Richterin Marion Hohenecker hat entschieden, das Korruptionsverfahren um die Causa „schwarze Kassen“ auszuweiten. Diese „Kassen“ sollen einst von Hochegger (er ist also an beiden Fronten angeklagt) mit Geld der Telekom Austria gefüllt worden sein. Zweck laut Anklage: Die damalige Unternehmensführung habe Reserven haben wollen, um Politiker bei Bedarf gewogen stimmen zu können. Dieser Komplex soll im Herbst/Winter erstmals im Großen Schwurgerichtssaal erörtert werden. 

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