Guantánamo: Eine Tour durch die Gefangenenlager

Guantnamo Eine Tour durch
Guantnamo Eine Tour durch(c) REUTERS (POOL)
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„Presse“-Reporter Stefan Riecher besichtigt die "Camps" in Guantánamo. Manche Gefangene wollen nicht erkannt werden, andere sind zu Scherzen aufgelegt.

Im Camp IV joggt ein rund 40-jähriger Mann auf einer kleinen kreisförmigen Laufbahn. Er trägt einen langen grau-schwarzen Bart. Nach zehn Runden dreht er um und wechselt die Richtung. Der „feindliche Kämpfer“ (die Soldaten hier bestehen auf dieser Ausdrucksweise) absolviert noch zehn weitere Runden, dann scherzt er in meine Richtung: „Häng´ mein Foto neben jenes von Osama bin Laden.“

Camp IV ist jener Teil des Gefangenenlagers, in dem die knapp 80 „most compliant“ Häftlinge leben, also die „folgsamsten“. Sie dürfen sich 18 Stunden pro Tag auf einer Fläche der Größe eines Fußballfeldes nahezu frei bewegen. 

Mit den Gefangenen zu sprechen, ist uns Reportern streng verboten. Ebenso wie das Fotografieren nahezu sämtlicher Einrichtungen, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen. Manche Gefangene stellen sich gerne den Fotografen. Allerdings dürfen nur Fotos, die die Identität der Häftlinge nicht preisgeben, veröffentlicht werden. „Alles zum Schutze von uns allen“, sagt Oberstleutnant McManus, während er durch das Lager führt.

Von einer Laufrunde können die Gefangenen im Camp V nur träumen. Dort werden die rund 20 gefährlichsten Häftlinge gefangen gehalten. Sie verbringen 20 Stunden täglich in ihren Zellen, die „Erholungszeit“ beträgt zwischen zwei und vier Stunden. In dieser Zeit steht Unterricht und Fernsehen am Programm. Camp V ist auch jener Ort, von dem in der Vergangenheit immer wieder Selbstmordversuche gemeldet wurden.

Ganz schweigsam wird der Oberstleutnant, wenn man ihn auf Camp VII anspricht. Dort sollen sich jene „feindlichen Kämpfer“ befinden, denen ein Zusammenhang mit den Attentaten vom 11. September 2001 angelastet wird. „Darüber sprechen wir nicht“, erklärt McManus. Weder die Zahl der „feindlichen Kämpfer“ im Camp VII, noch der genaue Standpunkt in Guantánamo Bay sind bekannt. Ein Besuch in Camp VII ist nicht gestattet. Von Folter will McManus aber nichts wissen: „Wir sind völlig transparent. Anwälte haben stets Zugang zu den feindlichen Kämpfern.“ Ebendiese Anwälte zeichnen aber zum Teil ein anderes Bild (mehr dazu an dieser Stelle in den kommenden Tagen).

Insgesamt befinden sich noch 183 Häftlinge in Guantánamo, einst waren es 680. Zwei der neun Lager wurden mittlerweile geschlossen. US-Präsident Barack Obama sagte im Jänner 2009, den gesamten Stützpunkt per Jänner 2010 geschlossen zu haben. Wann es tatsächlich soweit sein wird, steht nach wie vor in den Sternen.

Auf Erkundungstour in Guantanamo

„Presse“-Reporter Stefan Riecher wird die nächsten Tage in Guantanamo Bay verbringen. Am Programm stehen unter anderem eine Tour durch das wohl umstrittenste Gefangenenlager der Welt, die Anhörungen von Gefangenen sowie Gespräche mit Anwälten.

(Stefan Riecher)

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