"Ersatz nicht einfach": EU-Gipfel endet ohne Einigung zu Topjobs

"Ich habe mit einem gewissen Vergnügen festgestellt, dass es nicht einfach ist, mich zu ersetzen", sagt der scheidende EU-Kommissionschef Jucnker.
"Ich habe mit einem gewissen Vergnügen festgestellt, dass es nicht einfach ist, mich zu ersetzen", sagt der scheidende EU-Kommissionschef Jucnker.(c) imago images / Alex Nicodim (via www.imago-images.de)
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Am 30. Juni soll bei einem Sondergipfel neuerlich über die drängenden Personalfragen diskutiert werden. Auch darauf, die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, konnten sich die EU-Staats- und Regierungschefs nicht einigen.

Die Beratungen der EU-Staats- und Regierungschefs haben keine Einigung über die Vergabe der EU-Spitzenpositionen erbracht. Für keinen Kandidaten sei eine Mehrheit zustande gekommen, teilte EU-Ratspräsident Donald Tusk in der Nacht auf Freitag nach fast vierstündigen Beratungen mit. Und er kündigte an: Man werde sich bei einem neuen Sondergipfel am 30. Juni in Brüssel neuerlich mit der Personalfrage beschäftigten.

Allerdings, so fügte Jean-Claude Juncker unumwunden hinzu: Er erwarte nicht, dass die Entscheidung bei dem Treffen am 30. Juni leichter falle, doch müsse sie nunmal getroffen werden. "Ich habe mit einem gewissen Vergnügen festgestellt, dass es nicht einfach ist, mich zu ersetzen", sagte der scheidende EU-Kommissionschef. Um die Nachfolge von Juncker, über die am ersten Tag des zweitägigen EU-Gipfels eine Entscheidung getroffen werden hätte sollen, haben sich bisland Manfred Weber (EVP), Frans Timmermans (Sozialdemokraten) und Margrethe Vestager (Liberale) beworben.

Doch nicht nur Juncker gilt es zu ersetzen, auch über Tusks Nachfolger, den nächsten EZB-Chef sowie über den nächsten Außenbeauftragten muss entschieden werden. Am 2. Juli wählt überdies das Europaparlament einen neuen Präsidenten. Derzeit laufen unter den Parteien sowie im EU-Parlament noch Gespräche über das Personalpaket. Es sei noch zu früh, um Namen zu nennen, antwortete Tusk auf die Frage, ob es zumindest zu einer Einschränkung der Kandidatenliste gekommen wäre. Ein knappes "Nein" gab es von ihm, als er gefragt wurde, ob sein Name der Kandidatenliste hinzugefügt worden sei.

"Wollen auf gar keinen Fall eine Krise mit dem Parlament"

Das Europaparlament besteht darauf, dass der künftige Kommissionspräsident aus dem Kreise der Spitzenkandidaten bei der Europawahl bestimmt wird. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zeigte diesbezüglich aber mit dem Finger auf die Straßburger EU-Volksvertretung. Auch im Parlament gebe es keine Mehrheiten, weil die Liberalen und Sozialdemokraten den EVP-Spitzenkandidaten Weber nicht mitwählen wollten. Dies müsse man nun "zur Kenntnis nehmen und mit unseren Parteien diskutieren", sagte sie. Ratspräsident Tusk habe die Aufgabe bekommen, sich sehr schnell mit den Fraktionschefs im Europaparlament zu beraten. "Wir wollen auf gar keinen Fall eine Krise mit dem Parlament", betonte sie.

Der EU-Gipfel war überdies der erste Brüsseler Auftritt von Österreichs Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein, die auch ihre deutsche Amtskollegin Merkel sowie Juncker traf. Nachdem sich die österreichischen Parteien ähnlich wie ihre europäischen Partner nicht auf einen Namen einigen hatten können, war Bierlein "ergebnisoffen" nach Brüssel gereist. Sollten sich mehrheitsfähige Personalvorschläge auftun, "werden wir uns anschließen", gab die Kanzlerin als Devise aus. Beim Personalpaket wolle sie sich zudem für Geschlechterparität einsetzen.

Keine Einigung auf Klimaneutralität bis 2050 

Mager fielen die Ergebnisse des ersten Gipfeltages auch in anderen Fragen aus. Im Ringen um das EU-Langfristbudget verlängerten die Staats- und Regierungschefs die Frist für eine Einigung von Oktober auf Jahresende. Beim Klimaschutz musste das Ziel, wonach die Europäische Union im Jahr 2050 klimaneutral werden soll, wegen des Widerstands von Polen, Ungarn, Tschechien und Estland in eine Fußnote verbannt werden. Tusk zeigte sich aber zuversichtlich, dass die Blockierer in den nächsten Monaten ihren Widerstand aufgeben werden.

Harte Ansagen machte der Gipfel in Richtung Russland und der Türkei. Während die Ende Juli auslaufenden Wirtschaftssanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Konflikts um weitere sechs Monate verlängert wurden, zeigte sich der Europäische Rat solidarisch mit Zypern wegen der umstrittenen türkischen Gasbohrungen in den Gewässern des EU-Mitglieds. Kommissionschef Juncker kündigte nach dem ersten Gipfeltag an, die Brüsseler Behörde werde Optionen für Maßnahmen gegenüber der Türkei vorlegen. "Das werden keine weichen Maßnahmen sein", sagte Juncker. "Was die Türkei in den Hoheitsgewässern von Zypern macht, ist inakzeptabel."

Auf einen Blick

Juncker und Tusk sowie die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien treffen sich vor dem EU-Gipfel beim G-20-Gipfel kommende Woche im japanischen Osaka. Nach Angaben von Diplomaten beginnt der Sondergipfel am 30. Juni in Brüssel um 18 Uhr. Am 2. Juli wählt das EU-Parlament seinen neuen Präsidenten sowie 14 Vizepräsidenten.

(APA/dpa/Red.)

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