Der österreichische Bundespräsident erklärt „grundsätzlich", in Österreich würde man wegen unterlassener Hilfeleistung bestraft, nicht, wenn man Hilfe leistet.
Zu einer "Randbemerkung" sah sich Bundespräsident Alexander VanderBellen am Montag angesichts der Kontroverse um die in Italien verhaftete Kapitänin des Flüchtlings-Rettungsschiffes "Sea Watch 3", Carola Rackete, veranlasst:
"Die genauen Umstände des Falles sind mir nicht persönlich bekannt. Nur grundsätzlich scheint mir schon: Wenn ich in Österreich an einem Binnensee ein Boot in Not sehe und nicht zu Hilfe eile, dann werde ich bestraft wegen unterlassener Hilfeleistung - aber ich werde nicht dafür bestraft, wenn ich diese Hilfe leiste.“ Van der Bellen empfing am Montag den italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella in der Hofburg in Wien.
Dieser hat die handelnden Personen im Konflikt um das Flüchtlings-Rettungsschiff "Sea Watch 3" dazu aufgerufen, "sich etwas im Ton zu mäßigen", um das tatsächliche Problem besser lösen zu können. Anlässlich des Staatsbesuches in Wien meinte Mattarella am Montag, das Migrationsproblem müsse von Europa "gemeinsam, mit Intelligenz - und mit Afrika" angegangen werden.
Vor allem der italienische Innenminister Matteo Salvini von der fremdenfeindlichen Lega hat sich in den letzten Tagen durch rüde Antworten auf kritische Wortmeldungen unter anderem des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier hervorgetan, den er etwa aufforderte, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern.
Demografische Entwicklung Afrikas „unaufhaltsam"
Was das Problem der Migration im Allgemeinen betrifft, warnte Mattarella, dass es sich, auf der demografischen Entwicklung Afrikas basierend, zu einem "unaufhaltsamen" Phänomen entwickeln werde, "wenn es Europa nicht gelingt, es gemeinsam, mit Intelligenz und gemeinsam mit Afrika systemisch und umfangreich in Angriff zu nehmen." Dazu gehöre auch, legale Einreisemöglichkeiten für Migranten zu finden.
"Wir wissen um die demografische Entwicklung Afrikas Bescheid, wir wissen auch über die Bedingungen und Voraussetzungen von Migrationsströmen bescheid", ergänzte Van der Bellen: Die EU sei aber "über Jahre nicht bereit gewesen, die Konsequenzen daraus zu ziehen". Daher stellten die südlichen EU-Grenzen nach wie vor "einen Weg für jene Menschen dar, die zu Hause keine Perspektive finden". Die Union sei daher in den kommende Jahren gut beraten, "sich dieses Problems wirklich anzunehmen - nicht nur durch reden", appellierte der Bundespräsident.
Wenn sich Menschen in Seenot befinden, müssen sie gerettet werden. Das ist eine Pflicht, die für staatliche wie private Schiffe gilt. Sie ergibt sich laut Rechtsexperten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages aus der Tradition der Seefahrt und dem ungeschriebenen Völkergewohnheitsrecht.
Merkel sprach mit Conte
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich am Rande des EU-Gipfeltreffens in Brüssel bei ihrem italienischen Amtskollegen Giuseppe Conte über die Lage der am Samstag festgenommenen Kapitänin Rackete, informiert. "Merkel hat mich zur Kapitänin befragt. Ich habe geantwortet, dass in Italien wie in Deutschland die Justiz unabhängig ist", sagte Conte laut Medien.
"Der Premier kann sich in Italien nicht in Angelegenheiten der Justiz einmischen", sagte Conte. Racketes Verhalten hatte er am Sonntag als "politische Erpressung auf Kosten von 40 Menschen" bezeichnet.
Demonstration in Berlin und in Wien
Circa 50 Personen haben sich unterdessen am Montag an einer Demonstration vor der italienischen Botschaft in Berlin beteiligt, um die Freilassung der deutschen Kapitänin zu fordern. Die Demonstranten übergaben der Botschaft einen Brief mit dem Aufruf, die Kapitän nicht zu "kriminalisieren". Die Demonstration lief unter dem Motto "FreeCarola".
Auch in Wien wollen am Dienstag Menschen für die Freilassung Racketes auf die Straßen gehen. Die von der Plattform für menschliche Asylpolitik organisierte Demonstration "Freiheit für Carola Rackete!" startet um 18.00 Uhr vor der Oper und endet vor der italienischen Botschaft.
(APA)