Das Bruttoinlandsprodukt beginnt zu schrumpfen, erste Anzeichen einer Rezession. Interveniert Peking militärisch, wären ökonomische Folgen katastrophal.
Hongkong/Peking. Obwohl sich die militärischen Drohgebärden der Volksrepublik China in der Nachbarschaft zu Hongkong zuletzt gehäuft hatten, kam es auch am Freitag in der Innenstadt der Finanzmetropole wieder zu Demonstrationen. Mehr als 10.000 Menschen demonstrierten gegen die prochinesische Regierung der Sonderverwaltungszone und gegen die kommunistischen Machthaber in Peking. Die seit Anfang Juni anhaltenden Massenproteste wirken sich inzwischen auch verstärkt wirtschaftlich aus. Sollte es es zu einer militärischen Intervention Festlandchinas kommen, wird mit verheerenden Folgen für die Wirtschaft Hongkongs gerechnet.
Hatten sich zu Beginn des Jahres bereits der schwelende amerikanisch-chinesische Handelskonflikt und die abkühlende Konjunktur in der Volksrepublik China bremsend auf das Wirtschaftswachstum Hongkongs ausgewirkt (nur noch 1,3 Prozent plus), gibt es nun bereits erste Anzeichen für eine Rezession. Das Bruttoinlandsprodukt der Sonderverwaltungszone beginnt zu schrumpfen. Touristen meiden wegen der Unruhen das Einkaufsparadies, Einzelhändler klagen über Umsatzeinbußen, der Ruf Hongkongs als internationales Finanz- und Geschäftszentrum beginnt Schaden zu nehmen; einzelne Unternehmer sollen ihr Vermögen bereits nach Singapur transferiert haben. Die Hongkonger Regierung von Carrie Lam versucht, mit einem Konjunkturpaket den wirtschaftlichen Folgen der Proteste entgegenzuwirken.
Wiederholt sich 1989?
Unterdessen häufen sich die Warnungen an Peking, das „Hongkong-Problem“ militärisch lösen zu wollen, so auch von US-Sicherheitsberater John Bolton: „Es wäre ein großer Fehler, ähnliche Erinnerungen zu schaffen wie 1989.“ US-Präsident Donald Trump rief den chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping erneut auf, sich mit Vertretern der Demokratiebewegung zusammenzusetzen. So könne Xi die Krise „in 15 Minuten“ beenden: „Wenn er will, kann er auf eine sehr humane Art eine Lösung finden“, glaubt Trump. Er wisse aber auch, dass das nicht Xis Vorgehensweise entspreche.
Der im Exil in Berlin lebende Dissident und Künstler Ai Weiwei rechnet damit, dass die kommunistischen Machthaber in Peking in Hongkong ähnlich brutal vorgehen werden wie 1989 bei der blutigen Niederschlagung der Tiananmen-Proteste. Die Volksrepublik sei bereit, alles zu opfern, um die Kontrolle über die Sonderverwaltungszone zu behalten: „Die chinesische Regierung wird früher oder später Gewalt anwenden, wenn sie es nicht schafft, die Proteste verstummen zu lassen.“
Dagegen kommentierte die staatliche Pekinger Zeitung „Global Times“ am Freitag: „Die Vorgänge in Hongkong werden keine Wiederholung des politischen Vorfalls vom 4. Juni 1989 sein.“ Heute sei China „viel stärker und reifer, und seine Fähigkeit zur Beherrschung komplexer Situationen hat sich sehr verbessert“. (Reuters, AFP)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2019)