Hongkong-Proteste: Trump warnt China vor einem "weiteren Tiananmen-Platz"

Demonstranten in Hongkong trotzen China und Regen.
Demonstranten in Hongkong trotzen China und Regen.(c) REUTERS (TYRONE SIU)
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Mit einer neuen Großkundgebung trotzt die Demokratiebewegung Drohungen aus China. Der US-Präsident warnte Peking vor einem gewaltsamen Vorgehen. Die EU ruft zum Dialog auf.

Hongkong/Washington. US-Präsident Donald Trump hat China vor einem gewaltsamen Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong gewarnt. Eine Niederschlagung der Proteste wie 1989 würde die Handelsgespräche zwischen China und den USA schwer belasten, sagte Trump am Sonntag. Sollte es "einen weiteren Tiananmen-Platz" geben, wäre es "sehr schwierig", ein Handelsabkommen zu schließen.

Denn die chinesische Regierung hat den Demonstranten zuletzt immer unverhohlener gedroht. So brachte sie die Aktivisten  mit "Terrorismus" in Verbindung und schickte Truppen an die Grenze. Die Angst vor einem chinesischen Militäreinsatz wie bei der Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung 1989 auf dem Pekinger Tiananmen-Platz war zuletzt gewachsen. Wie viele Menschen damals durch die Armee getötet wurden, ist bis heute unklar - Schätzungen reichen von mehreren hundert bis zu mehr als tausend Todesopfern.

Prügelszenen auf dem Flughafen

Bei strömendem Regen waren am Sonntag erneut Hunderttausende Anhänger der Demokratiebewegung auf die Straße gegangen. Der Victoria-Park in der Innenstadt, wo die zentrale Kundgebung am Nachmittag stattfand, war bis auf den letzten Platz gefüllt. Bilder zeigten ein Meer von bunten Regenschirmen. Auch auf den Straßen rund um den Park war kaum mehr ein Durchkommen.

Für den Veranstalter, das Demokratiebündnis Civil Human Rights Front, war das ein voller Erfolg. Die Demonstration galt als Gradmesser, welchen Rückhalt die Protestbewegung in der 7,5-Millionen-Einwohner-Stadt noch hat. Vergangene Woche war sie wegen Prügelszenen auf Hongkongs Flughafen, wo Demonstranten auf einen chinesischen Reporter losgegangen waren, unter Beschuss geraten. Und nicht wenige hatten befürchtet, dass sich die Leute einschüchtern lassen und nach zweieinhalb Monaten Protesten langsam auch müde werden könnten.

Doch im Victoria-Park forderten nun Hunderttausende lautstark Freiheit und Demokratie. Aus Angst vor Krawallen blieben viele Geschäfte geschlossen. Doch im Unterschied zu früheren Protesten blieben Krawalle bis Sonntagabend aus. Die Organisatoren riefen die Menge immer wieder dazu auf, ruhig zu bleiben. Eine der Organisatorinnen, Bonnie Leung, sagte: „Wir hoffen, dass wir der Welt zeigen können, dass Hongkongs Bevölkerung völlig friedlich sein kann.“

Polizei ignoriert Provokationen

Die städtische Polizei setzte erstmals seit längerer Zeit kein Tränengas ein – auch nicht, als mehrere Hundert vermummte Demonstranten sie mit Laserpointern provozierten. Für die Behauptung, dass auf einer Pro-China-Kundgebung 108.000 Leute gewesen seien, erntete die Polizei allerdings Spott. Schätzungen gingen von ein paar Tausend Gegendemonstranten aus.

Das Bündnis Civil Human Rights Front hatte mit früheren Protesten bereits Pläne der Peking-treuen Stadtregierung für ein Auslieferungsgesetz gestoppt. Inzwischen richtet sich der Protest aber zunehmend gegen Peking direkt. Die ehemalige britische Kolonie Hongkong gehört seit dem Abzug der Briten 1997 wieder zu China. Als Sonderverwaltungszone sind ihm eigentlich noch bis 2047 umfangreiche Sonderrechte garantiert. Viele fürchten nun darum.

In den vergangenen Tagen hatte Peking eine massive Drohkulisse aufgebaut. Angesichts von scharfen Kommentaren in der staatlich gelenkten Presse und Bildern von Truppenbewegungen nahe Hongkong gibt es international auch Sorge vor einem militärischen Eingreifen wie 1989 bei der blutigen Niederschlagung der Demokratie-Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking. Chinas Staats- und Parteichef, Xi Jinping, hat sich zur Entwicklung in Hongkong noch nicht geäußert. Am 1. Oktober will die Volksrepublik ihr 70-jähriges Bestehen feiern.

EU fordert Zurückhaltung

Wie viele Hongkonger tatsächlich hinter der Demokratiebewegung stehen und wie viele hinter der prochinesischen Regierung, kann derzeit allerdings niemand mit Sicherheit sagen. Und auch nicht, wie der Konflikt ausgehen wird. Vor allem bei vielen älteren Leuten gibt es inzwischen größeres Unbehagen – wegen der Gewalt der vergangenen Woche, aber auch, weil die Forderungen der jüngeren Generationen radikaler werden.

Die Bewegung wird vor allem von jüngeren Leuten getragen. Der Großteil der Demonstranten war auch am Sonntag – wie bereits bei einem Marsch von Zehntausenden am Tag zuvor – unter 30 Jahre alt.

Die Europäische Union mahnte beide Seiten zur Mäßigung. EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte im Namen der 28 EU-Staaten: „Es ist entscheidend, dass Zurückhaltung geübt, Gewalt abgelehnt, und dringende Schritte zur Deeskalation der Situation unternommen werden.“ Zudem müssten alle wichtigen Akteure an einem breit angelegten Dialog teilnehmen. Aus der Protestbewegung gibt es Stimmen, die vom Westen verlangen, mehr für die Sicherung von demokratischen Grundrechten in Hongkong zu tun. (APA/DPA/Reuters)

AUF EINEN BLICK

Hunderttausende Anhänger der Demokratiebewegung sind am Sonntag in Hongkong erneut auf die Straße gegangen. Einige Beobachter sprachen von mehr als einer Million Teilnehmer. Die Kundgebung galt als Gradmesser, welchen Rückhalt die Bewegung in der früheren britischen Kolonie noch hat. Anders als bei früheren Demonstrationen setzte die Polizei bis zum Abend kein Tränengas ein. Auch die Proteste blieben friedlich. Die Europäische Union mahnte beide Seiten zum Dialog.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2019/APA/AFP)

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