Zwei Ex-Intimfeinde schmieden eine Koalition für Italien

Ein Bild von vor einer Woche, als die alte Regierung endgültig zerbrach: Giuseppe Conte (Mitte) bleibt wohl Ministerpräsident, Luigi di Maio (re.) bleibt in der Regierung. Matteo Salvini (li.) muss auf Neuwahlen warten.
Ein Bild von vor einer Woche, als die alte Regierung endgültig zerbrach: Giuseppe Conte (Mitte) bleibt wohl Ministerpräsident, Luigi di Maio (re.) bleibt in der Regierung. Matteo Salvini (li.) muss auf Neuwahlen warten.APA/AFP/ANDREAS SOLARO
  • Drucken

Die populistische Fünf-Sterne-Bewegung und die sozialdemokratische PD haben sich auf eine neue Koalition geeinigt - vor wenigen Wochen noch undenkbar. Nun ist Präsident Mattarella am Zug.

Rom. Giuseppe Conte kann sein Amt als italienischer Ministerpräsident wohl doch behalten. Die Fünf-Sterne-Bewegung und der sozialdemokratische Partito Democratico haben am Mittwoch Staatspräsident Sergio Mattarella signalisiert, für eine gemeinsame Regierung bereit zu stehen. Damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass es in Italien in diesem Jahr zu Neuwahlen kommt, sehr gering. Staatspräsident Mattarella wollte über das Vorhaben der beiden Parteien noch eine Nacht schlafen. Am Mittwochabend wurde mitgeteilt, dass Conte am Donnerstagmorgen im Quirinalspalast, dem Sitz des Präsidenten, mit Mattarella zusammenkommen wird. Dort dürfte er offiziell den Regierungsauftrag erhalten.

Mattarella hatte sich am Dienstag und Mittwoch in einer zweiten Runde mit den im Parlament vertretenen Parteien beraten und dabei ausgelotet, ob ohne Neuwahl eine neue Regierungsmehrheit gefunden werden kann. Die Regierungskoalition aus der Fünf-Sterne-Bewegung und der rechten Lega war vor zwei Wochen zerbrochen, nachdem Innenminister Matteo Salvini die Zusammenarbeit für beendet erklärt hatte. Vergangene Woche hatte der aktuell geschäftsführende Ministerpräsident Conte mit seinem Rücktritt dann das Ende der Regierung auch offiziell besiegelt.

Bündnis gegen Lega-Chef Salvini

Nun könnte es also eine neue Koalition geben, wieder unter Führung des parteilosen Rechtsprofessors Giuseppe Conte. Noch bis vor wenigen Tagen waren sich die Fünf-Sterne-Bewegung und die italienischen Sozialdemokraten spinnefeind. So war auch eine Regierungszusammenarbeit nach den Wahlen im März 2018 nicht zustande gekommen. Die gegensätzlichen Parteien wollen nun jedoch beide eine Neuwahl verhindern, aus der Salvinis Lega wohl als stärkste Kraft hervorgehen würde.

„Wir haben Präsident Mattarella heute unsere Bereitschaft erklärt, mit dem Partito Democratico eine Regierung zu bilden, unter der Voraussetzung, dass Giuseppe Conte Ministerpräsident bleibt“, sagte Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio am Ende seiner Zusammenkunft mit dem Staatspräsidenten. Die Italiener hätten einen August der „absoluten Unsicherheit“ durchlebt. Di Maio bestätigte am Mittwochabend auch, dass es von Seiten der Lega in den vergangenen Tagen den Vorschlag an ihn gab, die Regierung aus Lega und Fünf-Sternen doch wiederaufzunehmen und Di Maio selbst zum Ministerpräsidenten zu machen. „Dafür danke ich, aber ich sage auch, dass das Wohl des Landes mir wichtiger ist, als das Wohl meiner Person.“ Salvini war wohl schon klar, dass sein Plan, Neuwahlen herbeizuführen doch nicht aufgehen werde.

„Beenden wir die Zeit des Hasses, des Grolls, der Durchtriebenheit, des Egoismus“, sagte Nicola Zingaretti, der Chef des sozialdemokratischen Partito Democratico am Mittwoch im Quirinalspalast, nachdem auch er offiziell die Bereitschaft seiner Partei zur Regierungsbildung mit den Fünf Sternen bekundet hatte. „Stellen wir wieder die Sicherheit, die Legalität, das Wohlbefinden der Menschen ins Zentrum, ohne Sündenböcke zu suchen.“ Mit der Regierung, die nun entstehe, werde sich das Profil der italienischen Politik ändern, so der PD-Vorsitzende. Er räumte auch ein, dass der Weg in eine neue Regierung „kein Spaziergang zum Vergnügen“ sei. Aber eine neue Regierung müsse „die Schande des Verhaltens, das die Menschenrechte verletzt und den Rechtsstaat erniedrigt hat, auslöschen“.

„Früher oder später wird gewählt“

Lega-Chef Salvini, der nun seinen Machtpoker verloren haben dürfte, zeigte sich am Mittwoch unverdrossen: „Früher oder später wird gewählt. Wie auch immer das Urteil des Volkes ausfällt, man muss sich ihm stellen. Wir stellen uns diesem mit erhobenem Haupt, während andere sich Masken aufsetzen müssen, nicht nur zum Karneval.“

Nach einer Entscheidung Mattarellas plant die Fünf-Sterne-Bewegung, ihre Mitglieder noch über die geplante Regierungszusammenarbeit mit den Sozialdemokraten über die parteieigene Online-Plattform Rousseau abstimmen lassen. Ob dieses Vorhaben allerdings mit dem knappen Zeitplan von Präsident Mattarella konform geht, ist ungewiss.

Noch ist die neue Regierung auch nicht gebildet. Alles wartet nun auf die Entscheidung Mattarellas, der mit einem Regierungsauftrag an Conte wohl auch einen straffen Zeitplan für die Aufstellung eines neuen Kabinetts vorgeben dürfte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Salut für Giuseppe Conte. In der Regierungskrise hat sich der Premier fast allseits Respekt erworben.
premium

Die Wandlung des Giuseppe Conte

Für den neuen und alten Ministerpräsidenten bricht eine neue Ära an. Bisher stand er im Schatten der Vizepremiers Salvini und Di Maio, nun strahlt das Rampenlicht auf ihn. Und selbst Donald Trump würdigt ihn.
Giuseppe Conte holt sich in Rom den Auftrag zur Bildung neuer Regierung
Außenpolitik

Conte will für Italien "Regierung im Zeichen des Neuen" bilden

Der parteilose Anwalt wird nun prüfen, ob die Bedingungen für eine tragfähige Koalition aus der bisher regierenden Fünf-Sterne-Bewegung und den Sozialdemokraten vorhanden sind. Und bekennt sich zu Europa, Umwelt und sozialer Gerechtigkeit.
Nicht nur die Castor-Statue, ganz Italien blickte am Mittwoch auf den Quirinalspalast, den Sitz des Staatspräsidenten in Rom.
Außenpolitik

Das Who's who der römischen Krise

Zwei Wochen nach dem Platzen der italienischen Populistenkoalition aus Lega und Fünf Sterne werden die Karten neu gemischt. Kurzporträts der wichtigsten Personen im Drama um die Macht in Rom.
ITALY-POLITICS-GOVERNMENT-CRISIS
Außenpolitik

Die Rechnung Salvinis geht (vorerst) nicht auf

Mit Last-Minute-Koalitionsangeboten an die Fünf Sterne zeigt die Lega nur, wie heillos sie sich verpokert hat. Doch Sozialdemokraten und Fünf Sterne können sich selbst nach mehrstündigen Verhandlungen in der Nacht nicht einigen.
Der Quirinalspalast in Rom ist Amtssitz des italienischen Präsidenten, Sergio Mattarella.
Außenpolitik

Neuwahl oder "unnatürliche Allianz" aus Sozialdemokraten und Fünf Sternen?

In Italien nimmt die mögliche Koalition eine erste Hürde, Giuseppe Conte könnte Ministerpräsident bleiben. Am Abend ist Präsident Sergio Mattarella am Zug.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.