„Atelier Afrika“: Africa's next Topmodel - TV für die Oberschicht

Africas next Topmodel fuer
Africas next Topmodel fuer(c) Susanne Gutsche
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Schlanke Mädchen aus ganz Afrika kämpfen in der Show "Face of Africa" um eine Karriere als Supermodel. Die Kopie westlicher Schönheitsideale? Besonders in urbanen Gebieten erfreut sich die Sendung größter Beliebtheit.

Die Sonne brennt heiß auf den Sand der Kalahari, als ein Kleinbus nahe Windhoek stoppt. Plötzlich kommt Leben in den abgeschiedenen Ort. Eine Leinwand wird aufgebaut, Kameras aufgestellt und mittendrin werden zwei junge, hübsche Mädchen geschminkt. Nachdem auch die letzten Details der Kulisse vor der steinigen Wüstenlandschaft überprüft werden, geht es los.

Eine junge Frau mit kurzem Haar steuert selbstbewusst auf das Mädchen vor der Kamera zu. „Beweg deine Arme mehr!“, kommt ein kurzer Befehl. Und schon wird weiter posiert. Die Frau, die die Anweisungen gibt, würde in ihrem kurzen Jeansmini und den trendigen Lederboots besser nach New York City passen als in die Kalahari. Doch Kaone Kario ist ein afrikanischer Star. Sie moderiert die Model-Castingshow „Face of Africa“ – FOA. Das Fotoshooting in der Kalahari ist Teil der Sendung, die 1,23 Millionen Zuschauer in 41 afrikanischen Ländern sehen. Produziert und ausgestrahlt wird FOA von M-Net Africa, das seine Zentrale im südafrikanischen Johannesburg hat.

Frauen aus ganz Afrika bewerben sich bei der größten Realityshow auf dem Kontinent um den Titel. Teilnehmen kann jedes Mädchen zwischen siebzehn und achtundzwanzig Jahren und den berühmten 90-60-90-Maßen. Nach einer Vorauswahl werden 16 Frauen ins „Boot Camp“ geschickt, wo sie verschiedenste Aufgaben und Fotoshootings zu bewältigen haben.

Tough lächelt eine der Bewerberinnen bei den Aufnahmen in der Kalahari in die Kamera. Sie wirft ihre langen Haare über die Schulter und fesselt alle Anwesenden mit ihrem professionellen Auftreten. Doch Kaone Kario hat noch einiges auszusetzen.

Auch die Moderatorin hat so begonnen wie die Models, denen sie jetzt Anweisungen gibt. Die Botswanerin nahm selbst als Kandidatin an der Show teil und gewann 2005 den heiß begehrten Titel „Face of Africa“. Die lässige Ausstrahlung und das sympathische Lächeln überdecken den autoritären Ton in Karios Stimme: „Es ist mir ein Vergnügen, den Mädchen mit meiner Erfahrung zur Seite zu stehen und ihnen zu helfen, sich in der Modebranche zu behaupten.“

Angst vor Schlangen und Nacktfotos. Karios Tipps können die Mädchen gut gebrauchen. Von den 16 Bewerberinnen bleiben zunächst zwölf im Rennen. Mit Fotos von ihnen wird ein Kalender produziert. Am Schluss kann aber nur eine gewinnen. Zuletzt war es Lukando Nalungwe aus Sambia.

Mombasa an einem wolkenverhangenen Tag: Zehn verbliebene Modelanwärterinnen antworten auf die Frage der Jury, was ihre größte Angst bei Fotoaufnahmen sei, beinahe unisono mit: Schlangen oder nackt abgelichtet zu werden.

Somit haben Sie schon erraten, worum es bei der nächsten Challenge geht: Die Mädchen werden nackt mit einer Schlange fotografiert. Das inszenierte Bekanntmachen der Aufgabe lässt Entsetzen auf den Gesichtern der meisten Mädchen zurück. Während die einen versuchen, ihre Angst durch nervöses Lachen zu unterdrücken, werden andere ganz still. Es ist ihnen anzumerken, dass manche vor eine schier unlösbare Aufgabe gestellt wurden.

Auch Moderatorin Kario erklärt das ungewöhnliche Fotoshooting. „Ich wurde einmal an einem Strand nackt fotografiert. Doch der Strand war öffentlich und jeder konnte mich sehen. Ich versuchte, das auszublenden und mich auf die Fotos zu konzentrieren, doch es war sehr schwer.“

Programm für reiche Oberschicht. „Unser Publikum liebt die Geschichte von Face of Africa“, sagt der Direktor von M-Net Africa, Biola Adekanbi. M-Net Africa, der größte Pay-TV-Anbieter in Afrika, ist neben Endemol South Africa Hauptsponsor der Show.

Nicht jeder Afrikaner kann sich einen Fernseher, geschweige denn Pay-TV leisten. Somit ist „Face of Africa“ vor allem ein Programm für die Ober- und Mittelschicht. Besonders in urbanen Gebieten erfreut sie sich größter Beliebtheit. Das Preisgeld in der Höhe von 50.000 US-Dollar, den Auftritt bei der New York Fashion Week und den Vertrag mit der afrikanischen Modelagentur OModel Africa gewinnen ebenfalls meist Mädchen aus der reichen, privilegierten Schicht.

Auf der Swahili Fashion Week war das Publikum von den Teilnehmerinnen von „Face of Africa“ hellauf begeistert – trotz der sehr schlanken Frauen. Denn Kritiker von „Face of Africa“ klagen, dass die Show westliche Schönheitsideale kopiere. Die westlich dominierte Modewelt bestimme, welche der Teilnehmerinnen als schön gelten. Und das Ergebnis – dünne Models – habe mit traditionellen afrikanischen Schönheitsidealen nichts gemein.

„Vor allem in ländlichen Gebieten ist es erstrebenswerter, ein paar Kilo mehr auf den Hüften zu haben“, meint Liese Priem, Redakteurin des Magazins „African Woman“ in Uganda. „Auch die Models im „African Woman“-Magazin sind immer wieder sehr kurvig, viel, viel kurviger als in Europa und den USA“, betont Priem.

Auf den Laufstegen New Yorks. Um ein kurvenreiches, traditionelles Schönheitsideal ging es Modelagenten Jan Malan, Gründer von „Face of Africa“, wohl eher nicht. Mit seiner Firma Umzingeli Productions entdeckte er in der ersten Castingshow 1999 Oluchi Onweagba aus Lagos und machte die Frau zum ersten „Face of Africa“. Innerhalb eines Jahres eroberte Oluchi die New Yorker Laufstege und läuft heute unter anderem für Victoria Secret. Oluchi gründete ihre eigene Modelagentur OModel Africa und nimmt nun die Gewinnerinnen von FOA unter Vertrag.

Oluchis Karriere dient den ihr folgenden Teilnehmerinnen als großes Vorbild. Auch denen, die sich in der Kalahari unter heißer Sonne den Anweisungen von Moderatorin Kaone Kario unterwerfen – um sich den größten Wunsch zu erfüllen: das nächste „Face of Africa“ zu werden.

Dieser Artikel ist Teil des Projekts „Atelier Afrika“. Dabei erstellen Studierende des Instituts für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der Uni Wien gemeinsam mit Studierenden in Afrika Texte.

Redaktion: Wieland Schneider

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2010)

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