Aufklärung statt Strafe: Verzeihen auf Afrikanisch

In Südafrika, Uganda und Ruanda suchte man Alternativen, um Gräuel der Vergangenheit aufzuarbeiten.

Es ist schwierig festzustellen, wer Opfer und wer Täter ist. Wir haben auch mehrere hundert Frauen und Kinder aufgegriffen. Und einige von ihnen trugen Waffen.“ In seinem provisorisch eingerichteten Medienbüro, versteckt unter Tarnnetzen, berichtete Hauptmann Deo Akiiki vor einem Jahr der „Presse“ vom Einsatz der ugandischen Armee im Nordosten des Kongo. Hauptmann Akiiki und seine Soldaten hatten ihr Hauptquartier nahe des Flughafens der kongolesischen Stadt Dungu aufgeschlagen, um im Busch die Rebellen der „Lord's Resistance Army“ (LRA) zu jagen. „Wir haben sogar einen Brigadier der Rebellen gefangen, der behauptet, selbst als Kind gekidnappt worden zu sein.“ Die meisten LRA-Kämpfer wurden als Kinder aus ihren Dörfern geraubt und mit Gewalt zum Töten gedrillt. Da es so schwierig ist, festzustellen, wer von ihnen nun Opfer, Täter oder beides ist, setzt Uganda nicht nur auf Bestrafung. Mit dem Amnestiegesetz und lokalen Versöhnungsritualen werden auch andere Wege gegangen, um Gerechtigkeit herzustellen – und um die einstigen Kindersoldaten wieder in die Gesellschaft einzugliedern (siehe Artikel oben).

Versöhnung um jeden Preis

Doch es gibt auch noch andere Beispiele für Verzeihen auf Afrikanisch. Ein Mann in einem rosa Hemd schildert, wie er und andere Hutu-Milizionäre „wie ein Tornado“ unter der Tutsi-Bevölkerung wüteten. Das Geständnis ist eines von vielen, die auf den Videobildschirmen im Genozid-Museum der ruandischen Hauptstadt Kigali zu sehen sind. Die Aussagen stammen von Verfahren vor den sogenannten Gacaca-Gerichten, einer Einrichtung die mithelfen soll, Ruandas dunkle Vergangenheit zu bewältigen: den Völkermord der Hutus an den Tutsis im Jahr 1994.

In ihrer traditionellen Form dienten Gacaca-Gerichte der Streitbeilegung in den Dörfern. Übeltäter mussten im äußersten Fall Reparationen oder gemeinnützige Arbeiten leisten. Nicht Strafe, sondern gemeinsame Versöhnung standen im Mittelpunkt. Später wurde diese Form der Gerichte übernommen, um weniger belastete Täter des Völkermords zur Rechenschaft zu ziehen. Zwar sprechen die modernen Gacaca-Gerichte auch Strafen aus. Doch das Hauptaugenmerk liegt auch bei ihnen auf Wiedergutmachung und Versöhnung.

Versöhnung und Aufklärung – sogar um den Preis, dass Täter für europäisches Rechtsempfinden relativ ungeschoren davonkommen: Diese Idee setzten Südafrikas Wahrheitskommissionen um. Bei den Kommissionen wurden Verbrechen weißer Soldaten und Polizisten an Schwarzen während der Apartheid aufgearbeitet, aber ebenso Gewalt unter der schwarzen Bevölkerung. Angeklagte erhielten Amnestie, wenn sie ihre Taten offen gestanden. Gemäß Nelson Mandelas Motto: „Ich werde verzeihen, aber ich werde nie vergessen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2010)

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