Donald Trumps grausame Scherze, Boris Johnsons unehrlicher Charme, eine gemeinsame Maxime: Nichts ist ernst, Worte sind Wind, Versprechen flüchtig.
Als Donald Tusk vorige Woche in Athen anlässlich der posthumen Verleihung eines Demokratiepreises an seinen Freund Paweł Adamowicz, den im Jänner ermordeten Bürgermeister Danzigs, eine Rede hielt, kam er auf Thukydides und dessen Überlegungen zur „Stasis“ zu sprechen. Stasis ist öffentliche Unordnung, ein Chaos, das durch die stete Eskalation politischer Leidenschaften entsteht. „Als Beispiel zog Thukydides die Lage in Korkyra heran, wo keine Einigung mehr möglich war, nicht zuletzt, weil die Parteien in der Hitze des Gefechts die Bedeutung von Wörtern nach Belieben veränderten und Werte in ihr Gegenteil verkehrt wurden“, sagte Tusk, der scheidende Präsident des Europäischen Rats und frühere polnische Ministerpräsident. „Diejenigen, die Wut, Ressentiments und Zerstörung schürten, genossen politische und sogar moralische Autorität, und alle, die ihnen unter Berufung auf Ordnung und Besonnenheit entgegentraten, machten sich verdächtig.“
Man muss kein Kenner der altgriechischen Kultur sein, um sofort zu erkennen, dass Tusk am Beispiel Korkyras über die heutige Lage nachzudenken anregt. In Krisenzeiten übertrumpfen Emotionen Vernunft und Einvernehmen – und, wie Tusk warnt: „Sie werden uns stets zu Gewalt und Unterdrückung treiben.“