Das Milosevic-Regime stellte dem Literatur-Nobelpreisträger 1999 einen Pass aus. Ein Foto davon ist auf den Archiv-Seiten der ÖNB zu sehen.
Die Debatte um Literaturnobelpreisträger Peter Handke und seine Haltung zu Serbien wurde neu angefacht. Durch ein Dokument, das bisher wohl übersehen wurde: Auf den Archiv-Seiten „Handke Online“, die von der Österreichischen Nationalbibliothek betrieben werden, hat der Journalist Peter Maass das Bildes eines Passes von Peter Handke gefunden. Eines jugoslawischen Passes, den das Milosevic-Regime dem Schriftsteller im Juni 1999 ausgestellt hat. Darin wird Handkes Nationalität mit „Jugoslawisch“ angegeben. 1999 war das Jahr, in dem Handke dem serbischen Staatsfernsehen sagte: „Ich wäre gern in Serbien, wenn die Bomben auf Serbien fallen. Das ist mein Ort. Wenn die Kriminellen der Nato bombardieren, komme ich nach Serbien.“
Der Pass wirft natürlich weitere Fragen auf. Hatte Handke auch die serbische Staatsbürgerschaft? Hat er sie beantragt? Dazu ist (noch) nichts bekannt. Das Bild des Passes lag jedenfalls schon einige Jahre auf „Handke online“, bis es nun bemerkt wurde. Zur Verfügung gestellt hat es ein langjährigen Freund Handkes, Hans Widrich, der über Jahrzehnte Pressechef der Salzburger Festspiele war. „Handke und ich treffen einander einmal im Jahr“, erzählte der der „Presse“ am Donnerstag. „Von seinem Haus nehme ich immer Souvenirs mit, die er mir geben muss.“ Dazu gehörte vor mehr als zehn Jahren auch der Pass, der mit dem Zerfall Jugoslawiens nicht mehr gültig war. Widrich hatte sich zwar zunächst gewundert, als er ihn gesehen hatte. Aber Handke hatte erklärt, dass er, etwa für Hotels, immer mehr hatte zahlen müssen als sein serbischer Begleiter. Deshalb hatte er den Pass angefordert und bekommen.
Widrich, der generell eine große Handke-Sammlung zusammen getragen hat, stellte vieles der Bibliothek zur Verfügung: Manuskripte, Kopien, auch „Reliquien“ wie Handkes Wanderschuhe, E-Gitarre oder Maultrommel. Anderes, wie den Pass, ließ er nur fotografieren – und vergaß es im Laufe der Jahre. Nachdem nun Journalisten aufmerksam wurden, ließ Widrich das Bild offline nehmen. Er rief Handke an, um die Sache mit ihm zu besprechen. „Peter hat sich sehr über mich gewundert und gesagt, er habe ja nichts zu verstecken“, erzählte Widrich. Handke wunderte sich, warum das überhaupt ein Thema sei.
Die gesetzlichen Konsequenzen
Dass Handke auch die serbische Staatsbürgerschaft gehabt haben könnte, glaubt sein Freund jedenfalls nicht. „Ich persönlich schließe das vollkommen aus“, sagte er. Und erzählt eine Anekdote, die zeigen soll, wie österreichisch Handke ist: Vor zwei Wochen sei er zum Staatsfeiertag in die Botschaft in Paris gegangen und habe, wohl nicht ganz ohne Emotion, bemerkt: „So viele Frauen im Dirndl habe ich noch nie gesehen.“
Allerdings steckt in der Frage nach Pass und Staatsbürgerschaft nicht nur Emotion: Falls Handke damals wirklich jugoslawischer Staatsbürger wurde – und das war die übliche Voraussetzung für einen Pass, wie Experte Ralph Janik sagt, habe er die österreichische Staatsbürgerschaft ex lege verloren.

Kärnten will „umgehend prüfen“
Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) hat die Kärntner Landesamtsdirektion beauftragt, den Sachverhalt "umgehend zu überprüfen". Das bestätigte man am Donnerstag.
Auf Twitter veröffentlichte Janik, Mitglied der Rechercheplattform Addendum, die Auskunft vom vom Innenministerium: "Wenn ein Österreichischer Staatsbürger eine fremde Staatsangehörigkeit durch eine Willenserklärung erwirbt, verliert er damit automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft außer er hätte vorher um eine Bewilligung der Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft angesucht. (...) Das Bundesministerium hat daher das im konkreten Fall zuständige Amt der Landesregierung über den Sachverhalt verständigt."