Der Autor ließ sich 1999 vom Milosevic-Regime einen jugoslawischen Pass ausstellen. Aber ohne Staatsbürgerschaft, sagt er einem Belgrader Boulevardblatt. Vom serbischen Innenministerium kam keine konkrete Auskunft.
Seit gestern wird ein Räteslraten einen jüngst auf den Archiv-Seiten „Handke Online“ gefundenen Pass angestellt. Eines jugoslawischen Passes, den das Milosevic-Regime dem nunmehrigen Nobelpreisträger Peter Handke im Juni 1999 ausgestellt hat. Darin wird die Nationalität des Autors als „Jugoslawisch“ angegeben. Da üblicherweise die Staatsbürgerschaft Voraussetzung für einen Pass war, verursachte der Fund einige Aufregung. Denn der willentliche Erwerb einer anderen Staatsbürgerschaft wäre mit dem Verlust der österreichischen verbunden, wenn nicht vorher um die Beibehaltung angesucht worden wäre.
Vom serbischen Innenministerium war am Freitag keine konkrete Auskunft zur eventuellen jugoslawischen Staatsbürgerschaft von Peter Handke zu erhalten. Solche Daten könne man im Einklang mit dem Gesetz zum Datenschutz nicht zustellen, hieß es. Das Innenministerium verwies in seiner schriftlichen Antwort gleichzeitig daraufhin, dass "genaue Daten schwer festzustellen wären, da ein Großteil der Dokumentation im Laufe des (NATO-, Anm.) Bombardements 1999 , als das Gebäude des Bundesinnenministeriums zerstört worden war", vernichtet worden sei. Die NATO-Luftangriffe gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien dauerten vom 24. März bis 10. Juni 1999. Der Pass an Handke wurde am 15. Juni von der jugoslawischen Botschaft in Wien ausgestellt.
Das Ganze mündet also in die sehr plakative Frage, ob der österreichische Literaturnobelpreisträger Peter Handke vielleicht gar kein Österreicher ist. Mittlerweile beschäftigen sich jedenfalls die Behörden mit der Causa: Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser hat die Landesamtsdirektion beauftragt, den Sachverhalt "umgehend zu überprüfen". Geklärt ist bereits, dass Handke 1999 definitiv keinen Antrag auf Doppelstaatsbürgerschaft gestellt hat.
Handke: „Wer sagt das?"
Auch Handke selbst hat sich nun zu Wort gemeldet, passenderweise gegenüber dem Belgrader Boulevardblatt "Vecernje novosti“. Er habe keine jugoslawische Staatsbürgerschaft, sondern den Pass nur erhalten, "um zu reisen", erklärte der Schriftsteller. Auf die Frage, ob er nun den Verlust seiner österreichischen Staatsbürgerschaft befürchte, erwiderte er nur: "Wer sagt das?"
Von der Belgrader Zeitung wurde die Frage, wie es möglich war, einen Pass ohne die Staatsbürgerschaft Jugoslawiens zu erhalten, nicht geklärt. Serbien ist seit 2006 die Rechtsnachfolgerin der einstigen Bundesrepublik Jugoslawien bzw. des Staatenbundes Serbien-Montenegro.
Regeln wurden eventuell schlicht nicht eingehalten
Die Kärntner Behörden müssen jedenfalls eine ganze Reihe von Fragen klären. Für den Verfassungsjuristen Bernd-Christian Funk ist jedenfalls der Verlust der Staatsbürgerschaft allein durch die Entgegennahme eines jugoslawischen Reisepasses nicht zwingend. "Es könnte aber auch sein, dass die Regeln einfach nicht eingehalten worden sind." Anders wäre es wohl, wenn Handke um die jugoslawische Staatsbürgerschaft angesucht und daraufhin den Pass bekommen hätte. "Hier muss man alle Details genau prüfen", so Funk. Zu klären gelte es auch, wie es um die Frage der Rechtsnachfolge geht, nachdem Jugoslawien nicht mehr existiert.
Sollten die Behörden zu dem Schluss kommen, dass Handke die österreichische Staatsbürgerschaft mit der Annahme des Reisepasses verloren hat, muss überdies geklärt werden, ob er erneut um die Staatsbürgerschaft ansuchen kann. Der Verlust der Staatsbürgerschaft hätte zudem auch praktische Auswirkungen: Handke lebt als EU-Bürger in Paris. Wie sein Status als Staatenloser oder als Serbe dort wäre, ist völlig offen.
Wie der Pass auftauchte
Das Bild des Passes lag schon einige Jahre auf „Handke online“, bis es nun bemerkt wurde. Zur Verfügung gestellt hat es ein langjährigen Freund Handkes, Hans Widrich, der über Jahrzehnte Pressechef der Salzburger Festspiele war. „Handke und ich treffen einander einmal im Jahr“, erzählte der der „Presse“ am Donnerstag. „Von seinem Haus nehme ich immer Souvenirs mit, die er mir geben muss.“ Dazu gehörte vor mehr als zehn Jahren auch der Pass, der mit dem Zerfall Jugoslawiens nicht mehr gültig war. Widrich hatte sich zwar zunächst gewundert, als er ihn gesehen hatte. Aber Handke hatte erklärt, dass er, etwa für Hotels, immer mehr hatte zahlen müssen als sein serbischer Begleiter. Deshalb hatte er den Pass angefordert und bekommen.
Widrich, der generell eine große Handke-Sammlung zusammen getragen hat, stellte vieles der Bibliothek zur Verfügung: Manuskripte, Kopien, auch „Reliquien“ wie Handkes Wanderschuhe, E-Gitarre oder Maultrommel. Anderes, wie den Pass, ließ er nur fotografieren – und vergaß es im Laufe der Jahre. Nachdem nun Journalisten aufmerksam wurden, ließ Widrich das Bild offline nehmen. Er rief Handke an, um die Sache mit ihm zu besprechen. „Peter hat sich sehr über mich gewundert und gesagt, er habe ja nichts zu verstecken“, erzählte Widrich. Handke wunderte sich, warum das überhaupt ein Thema sei.
(rovi/APA)
