Irans läßt etwa 100 Rädelsführer nach Unruhen festnehmen

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Ein Hardliner-Ayatollah fordert die Todesstrafe für die inhaftierten Demonstrationsführer.

Die iranischen Revolutionsgarden haben nach Angaben der Justiz etwa 100 Führungsfiguren der jüngsten Proteste festgenommen. Die Elite-Einheit sei dabei in verschiedenen Teilen des Landes vorgegangen, sagte ein Sprecher des Justizministeriums am Freitag der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA. Die Proteste waren eine Woche zuvor aus Unmut über eine Benzinpreis-Erhöhung ausgebrochen.

Amnesty International zufolge wurden in den folgenden Tagen mehr als 100 Demonstranten von Sicherheitskräften getötet. Die Regierung hat die Zahl als spekulativ zurückgewiesen. Offiziellen Angaben zufolge ebbten die Proteste am Dienstag ab.

Ein hoher Geistlicher forderte die Todesstrafe für einige der Demonstrationsführer. "Einige dieser Anführer bei den Unruhen waren Gesetzlose, die die Todesstrafe verdienen", sagte der als Hardliner geltende Ayatollah Ahmad Khatami beim Freitagsgebet in Teheran.

US-Sanktionen gegen Kommunikationsminister

Die US-Regierung verhängte unterdessen wegen der weitgehenden Abschaltung des Internets im Iran Sanktionen gegen den dortigen Kommunikationsminister. Minister Mohammad Javad Azari Jahromi spiele eine Schlüsselrolle bei der "weitreichenden Zensur des Internets", begründete das Finanzministerium in Washington am Freitag die Maßnahme. Der Minister sei seit seinem Amtsantritt im Jahr 2017 auch an der Überwachung von Aktivisten der Opposition beteiligt gewesen.

Die iranische Regierung hatte den Zugang zum Internet als Reaktion auf die Proteste gegen die politische Führung, die durch eine drastische Erhöhung der Benzinpreise ausgelöst worden waren, weitgehend gesperrt. Die Proteste mündeten teilweise in gewalttätige Konfrontationen.

Durch den weitgehend gesperrten Internetzugang war in den vergangenen Tagen im Iran die Verbreitung von Informationen über die Proteste erheblich eingeschränkt. Minister Azari Jahromi habe auch beliebte Apps für den Austausch von Botschaften blockiert, die dutzende Millionen Iraner nutzten, "um untereinander und mit der Außenwelt verbunden zu bleiben", erklärte US-Finanzminister Steven Mnuchin.

Trump hält Iran für „so instabil"

Durch die Sanktionen werden alle möglichen Vermögenswerte und Konten des Ministers in den USA eingefroren. US-Bürgern und in den Vereinigten Staaten lebenden Ausländern sind jegliche Geschäftsbeziehungen zu ihm untersagt.

US-Präsident Donald Trump wertete die Internet-Abschaltung als Beleg für eine Destabilisierung der politischen Machtverhältnisse im Iran. Die dortige Regierung sei "so instabil", dass sie auf diese Weise die Verbreitung von Informationen über die "enorme Gewalt" in dem Land unterbinden wolle, schrieb Trump am Donnerstag im Kurzbotschaftendienst Twitter.

Die Beziehungen zwischen Washington und Teheran haben sich dramatisch verschlechtert, seit Trump im Mai 2018 das 2015 in Wien abgeschlossene internationale Abkommen zur Begrenzung des iranischen Atomprogramms aufgekündigt hat. Seither hat die US-Regierung die Wirtschaftssanktionen gegen das Land sukzessive verschärft. Trump beschreibt den Iran regelmäßig als Hauptquelle von Gewalt und Instabilität im Nahen Osten.

Die Menschenrechtsbeauftragte der deutschen Regierung kritisierte unterdessen die Verurteilung von sechs Umweltschützern im Iran zu langen Haftstrafen scharf. "Ich bin bestürzt", erklärte Bärbel Kofler am Freitag. "Sie haben sich friedlich und mit großem Engagement für den Tierschutz und Artenschutz im Iran eingesetzt." Sie fordere ihre sofortige Freilassung und appelliere an die iranische Regierung, die von ihr eingegangenen menschen- und bürgerrechtlichen Verpflichtungen einzuhalten.

Die iranische Justiz hat nach Angaben vom Donnerstag Haftstrafen von vier bis zehn Jahren gegen die Umweltaktivisten und Tierschützer verhängt. Den sechs Beschuldigten der Organisation Persian Wildlife Heritage Foundation wird Kontakt mit Geheimdiensten der USA und damit Spionage vorgeworfen. Was sie genau ausspioniert haben sollen, ist unklar. Die Sechs hatten sich im Iran für den Schutz des gefährdeten Asiatischen Geparden eingesetzt. Ihre Verurteilung löste in sozialen Medien eine Welle der Kritik und Empörung aus. Nach iranischen Justizangaben haben sie das Recht, in Berufung zu gehen.

(APA/Reuters/dpa)

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