Ein starkes Temperament mit großer Seele

Eine Art Generalprobe zur Paarbildung mit Nicholas Ofczarek als neuem Jedermann der Salzburger Festspiele hat Birgit Minichmayr als brandneue Buhlschaft in diesem Jahr bereits hinter sich gebracht: Im Akademietheater spielen die Burgtheater-Stars seit April in Ödön von Horváths „Geschichten aus dem Wiener Wald“. Wie es sich für eine richtige Generalprobe gehört, ging diese Premiere ordentlich daneben. Weder in der Rolle der in ihren Trieben niedergehaltenen Bürgerstochter Marianne noch in der des filigranen Strizzis Alfred konnten Minichmayr beziehungsweise Ofczarek bei dieser fehlgeleiteten Inszenierung wirklich überzeugen.

Das lässt also für Salzburg Großes bei Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“ erhoffen. Denn die beiden Publikumslieblinge werden jetzt mit noch mehr Energie beweisen wollen, was sie in den Jahren zuvor bereits mehrfach gezeigt haben: dass sie ein Traumpaar auf der Bühne sein können, wenn die Umstände stimmen. Wenn Leib und Seele gefragt sind. Dann knistert es, dann führen zwei Schauspieler voll ungeheurer Präsenz vor, mit welcher Leidenschaft sich Theater ereignen kann.

Sinnlichkeit und Sünde

Die 33-jährige Linzerin spielt die Buhlschaft auch deshalb, weil es ein Herzenswunsch ihres Vaters sei, sagte sie, als dies vor einem Jahr publik wurde. Der Wunsch hat allerdings auch seine Tücken. Die Buhlschaft ist bei dem ohnehin problematischen, nach einem starren Schema ablaufenden, in spätmittelalterlicher Tradition stehenden Stück sicherlich eine schwierigere Rolle als der Jedermann. Während der monomane Titelheld zwei Stunden lang im Fünf-Minuten-Takt allen Facetten durchleben kann, die von der Großmannssucht bis zur stillen Demut reichen, bleiben der Dame seines Herzens nur wenige Sätze, um das Publikum davon zu überzeugen, dass hier die Richtige unsere Vorurteile von Sinnlichkeit und Sünde bedient. Im schlimmsten Falle wird die kurze Show der Buhlschaft auf die Kleiderfrage reduziert: kühles Blau, sündhaftes Rot oder gar aristokratisches Gelb? Im besten Fall wird man gar nicht bemerken, was Frau Minichmayr trägt. Dann wird sich ganz Salzburg nach Jahren nur noch daran erinnern, dass 2010 ein starkes Temperament mit großer Seele auftrat, wie man es bei ihr in weit größeren Rollen gewohnt war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2010)

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