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Irland: Erste Trends deuten auf historischen Sinn-Fein-Erfolg

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Die republikanische Sinn Fein dürfte erstmals mehr als 30 Mandate im 160-köpfigen Parlament bekommen. Damit würde die für eine Wiedervereinigung Irlands kämpfende Partei ihr Rekordergebnis deutlich übertreffen.

Nach dem politischen Erdbeben bei der Parlamentswahl am Samstag steht Irland vor einer schwierigen Regierungsbildung. Während die beiden Traditionsparteien Fine Gael (FG) und Fianna Fail (FF) mit deutlichen Verlusten rechnen mussten, deuteten erste Trends nach Beginn der Stimmenauszählung am Sonntag auf einen historischen Sieg der republikanischen Sinn Fein (SF).

Wie die "Irish Times" (Onlineausgabe) berichtete, dürfte die SF erstmals mehr als 30 Mandate im 160-köpfigen Parlament bekommen. Damit würde die für eine Wiedervereinigung Irlands kämpfende Partei ihr Rekordergebnis des Jahres 2017 (22 Mandate) deutlich übertreffen. Die FG von Ministerpräsident Leo Varadkar und die FF von Oppositionsführer Micheal Martin dürften hingegen Mandate verlieren. 2017 hatte Varadkars FG 50 Sitze erreicht und daraufhin eine von der FF (44 Mandate) geduldete Minderheitsregierung gebildet.

Ein starkes Ergebnis wurde auch den Grünen vorhergesagt, die erstmals eine zweistellige Mandatsanzahl im Dail (Parlament) erreichen könnten. Im Jahr 2017 war ihnen mit zwei Mandaten der Wiedereinzug ins Parlament gelungen.

Die Grünen hatten aber vor dem Hintergrund der Klimakrise auf einen deutlicheren Erfolg gehofft. Nach ihrem spektakulären Erfolg bei der Europawahl, als sie zwei der 13 irischen Mandate gewannen, wurden sie bereits als Juniorpartner in der neuen Regierung Varadkar gehandelt.

Varadkar selbst hatte im November am Rande des Kongresses der Europäischen Volkspartei (EVP) in Zagreb gesagt, dass die Grünen "Teil der nächsten Regierung werden" könnten. Varadkar meinte, Türkis-Grün könnte zu einem europäischen "Prototyp" werden. "Wir beobachten das", sagte Varadkar mit Blick auf das von seinem "guten Kollegen" Sebastian Kurz gezimmerte Regierungsbündnis von ÖVP und Grünen.

Doch statt in die Fußstapfen von Kurz zu treten, könnte Varadkar nun selbst politisches Neuland betreten und das erste Regierungsbündnis einer konservativen und linken Partei in Europa bilden. Politische Beobachter in Irland gehen nämlich davon aus, dass bei der Regierungsbildung kein Weg an der Linkspartei SF vorbeiführen wird, obwohl sowohl Varadkar als auch Oppositionsführer Martin ein Bündnis mit ihr ausgeschlossen haben.

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Die Auszählung könnte wegen des komplizierten Wahlverfahrens mehrere Tage dauern. Der 41-jährige Varadkar hatte Mitte Jänner die vorgezogene Neuwahl angesetzt. Bei den Wahlen im Februar 2016 hatte seine konservative Fine Gael eine Mehrheit verfehlt. Seither war sie auf die Unterstützung der größten Oppositionspartei Fianna Fail angewiesen.

McDonald: „Leute wollen Wandel“ 

Die während des Brexit-Chaos in London herrschende Einigkeit zwischen den beiden rivalisierenden Parteien bröckelte zuletzt zusehends. Die beiden Mitte-rechts-Parteien, die seit der Unabhängigkeit Irlands vor fast einem Jahrhundert fast immer abwechselnd die Regierung stellten oder zusammen regierten, liegen nun offenbar gleichauf mit der linksgerichteten Sinn Fein.

Die Sinn Fein strebt ein vereintes Irland an - mit dem zu Großbritannien gehörenden Nordirland. "Die Leute haben uns im Wahlkampf die ganze Zeit gesagt, dass sie einen Wandel wollen", sagte Sinn-Fein-Parteichefin Mary Lou McDonald bei der Stimmabgabe in Dublin. Sie wirbt dafür, in den kommenden fünf Jahren ein Referendum über die irische Einheit abzuhalten. Vor allem bei jungen Wählern in den Städten kommt diese Forderung gut an.

Zusammenarbeit mit Sinn Fein ausgeschlossen

Die Nordirland-Frage war auch einer der Hauptstreitpunkte bei den Brexit-Verhandlungen zwischen London und Brüssel, da die Grenze zwischen Irland und Nordirland durch den Brexit de facto zu einer Landgrenze zwischen der EU und Großbritannien wurde. Das Karfreitagsabkommen von 1998, mit dem der jahrzehntelange blutige Nordirland-Konflikt überwunden wurde, sieht allerdings eine offene Grenze vor.

Fine Gael und Fianna Fail haben eine Zusammenarbeit mit der Sinn Fein, dem einstigen politischen Flügel der irischen Untergrundarmee IRA, ausgeschlossen. Die Partei habe sich "nicht von ihrer blutigen Vergangenheit reingewaschen", sagte der Chef von Fianna Fail, Micheal Martin, am Vortag der Wahl.

Varadkar, seit fast drei Jahren der erste offen homosexuelle Regierungschef des einst streng katholischen Landes, steht für ein neues, modernes Irland. Der Sohn einer irischen Krankenschwester und eines indischen Arztes hatte im Wahlkampf seine starke Rolle in den Brexit-Verhandlungen zwischen London und Brüssel in den Mittelpunkt gestellt. Viele Wähler interessierten sich aber offenbar gar nicht für den Brexit, sondern vielmehr für Themen wie Wohnen und Gesundheit.

(Ag.)

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