Der Polizist soll einem Verdächtigen ein Handy unüberprüft zurückgegeben haben. Die WKStA dementiert eine Aktenweitergabe. Der Bundeskanzleramtsmitarbeiter erstattete Anzeige.
Einer der Polizisten, der im Vorjahr in der sogenannten (inzwischen eingestellten) Schredder-Affäre ermittelte, war ÖVP-Kandidat bei einer Gemeinderatswahl in Niederösterreich und der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) deshalb suspekt. Das geht aus Akten hervor, in die die Austria Presse Agentur Einblick nehmen konnte. Der Mann habe "problematische Handlungen" gesetzt, so der Vorwurf.
Justizminister sah keinen Anschein der Befangenheit
Konkret soll er nach dem Bekanntwerden des Schredderns von Festplatten aus dem Bundeskanzleramt das Handy des Beschuldigten zurückgegeben und auch dessen Laptop in der ÖVP-Zentrale nicht sichergestellt haben. Dem Verdacht, dass dort ein möglicher Auftraggeber dokumentiert sein könnte, sei damit nicht nachgegangen worden.
Die WKStA ortete einen "konkreten Hinweis auf Befangenheit". Bei dem damaligen Justizminister, Clemens Jabloner, damals auch Vizekanzler der Übergangsregierung, drangen sie damit nicht durch. Er sah durch die Parteimitgliedschaft allein noch keinen Anschein der Befangenheit begründet.
ÖVP-Justizsprecherin hat kein Problem mit Vorgehen
ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker sah am Dienstag kein Problem darin, dass der Polizist ÖVP-Kandidat bei einer Gemeinderatswahl in Niederösterreich war. Sie fand es indes "suspekt", dass Journalisten Einsicht in interne Akten der WKStA bekommen hätten.
Wie es zu Berichten auf Basis eines Vorhabensberichts der WKStA kam, will Steinacker nun mittels parlamentarischer Anfrage klären lassen. Sie erachte als "überaus seltsam, dass gerade jetzt, wo die WKStA in Diskussion steht, diese bereits abgeschlossenen Sachen hervorgekramt werden". "In Diskussion" kam die WKStA, nachdem Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Jänner die Korruptionsermittler in einem Hintergrundgespräch attackiert hatte.
WKStA: Akt für Parlament bestimmt
Die WKStA stellte daraufhin selbst am Dienstag klar, dass sie "zu keiner Zeit" interne Berichte und Bestandteile von Ermittlungsakten an externe, nicht berechtigte Personen ohne gesetzliche Grundlage weitergegeben habe. Wie verpflichtet habe man aber den betreffenden Ermittlungsakt dem Ibiza-U-Ausschuss zukommen lassen.
Interne Berichte würden grundsätzlich nur innerhalb der Berichtskette der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien und dem Justizministerium vorgelegt, betonte die WKStA in einer Pressemitteilung. "Anlässlich der Verpflichtung zur Aktenübermittlung an den Untersuchungsausschuss zur mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung" habe man zudem die Ermittlungsakten samt den internen "Tagebüchern" - über den die „ZiB 2“ und die APA berichtet haben - im Februar 2020 der OStA Wien zur Weiterleitung an das Parlament übermittelt.
Der betroffene Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes erstattete am Dienstag „Strafanzeige“ gegen Unbekannt, teilte die ÖVP mit.
FPÖ: ÖVO will Einfluss „bis in den letzten Winkel unserer Republik“
Für die FPÖ ist die Causa um den Polizisten indes ein "Skandal erster Ordnung". Generalsekretär Michael Schnedlitz hielt der ÖVP in einer Aussendung vor, "bis in den letzten Winkel unserer Republik" Einfluss nehmen zu wollen. Die Volkspartei schreddere "nicht nur Festplatten, sondern jegliche staatliche Kontrollinstanz".
Die Neos sahen sich in ihrem Zweifel an der Unabhängigkeit der "Soko Ibiza"-Ermittler bestätigt. In politisch brisanten Fällen dürfe bei den ermittelnden Beamten nicht einmal ein Hauch des Anscheins von Befangenheit bestehen - und "zumindest in diesem Fall handelt es sich eindeutig um weit mehr als bloß einen Anschein", meinte Stephanie Krisper, pinke Fraktionsführerin im Ibiza-Untersuchungsausschuss. "Besonders auffällig" ist für sie, dass der Polizist laut "ZiB 2" von der ÖVP-Kandidatenlisten verschwunden sei, nachdem die WKStA in einem Informationsbericht auf den ÖVP-Hintergrund des Mannes aufmerksam gemacht habe. "Hier drängt sich auch der Verdacht auf, dass jemand aus dem Justiz- oder dem Innenministerium Ermittlungsergebnisse an die Volkspartei weitergegeben hat, um die ÖVP-Nähe des Polizisten zu vertuschen", sagte Krisper.
(APA)