Rassismus-Erfahrungen

"Edelweiss"-Regisseurin: "Heimat muss kein Ort sein"

Künstlerin und Aktivistin Anna Gaberscik
Künstlerin und Aktivistin Anna GaberscikValerie Marie Voithofer
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Mit ihrer Perfomance-Dokumentation „Edelweiss“ will Künstlerin und Aktivistin Anna Gaberscik aufzeigen, wie tief verwurzelt Rassismus in Österreich noch immer ist.

Als musikaffines Kind war Anna Gaberscik geradezu besessen von dem Musical „The Sound of Music“. Besonders gut hat ihr das Lied „Edelweiss“ gefallen, das die „Reinheit“ und Schönheit der Blume als Ideal darstellt. Dass dieser Kontext eine durchaus problematische Doppeldeutigkeit birgt, sollte Anna erst Jahre später auffallen.

Als einziges Kind eines Afroamerikaners und einer Österreicherin wuchs Anna zu einem Großteil in Brooklyn auf. In New York habe sie sich stets zugehörig gefühlt, sagt die heute 25-Jährige zur „Presse“. Erst in Österreich habe sie gelernt, was Rassismus ist.

Ständiges Beweisen-Müssen

Ihre Sommer hat Anna in der Steiermark verbracht. Ihr „anderes“ Aussehen brachte ihr dort Aufmerksamkeit ein, darunter auch viel negative. „Manche Kinder haben sich nicht getraut, mit mir zu spielen“, erzählt die junge Frau. Später hätte sie sich immer mehr beweisen müssen, um als zugehörig gesehen zu werden.

Seitdem geht ihr das „Edelweiss“-Lied nicht mehr so leicht über die Lippen. Als Opfer wollte sich Anna aber noch nie sehen. Ihre Erfahrungen hat sie stattdessen in ein Werkzeug verwandelt: Sie führte Regie bei der Performance-Dokumentation „Edelweiss“, die unter anderem diesen Freitag bei den „Black Movie Days“ in Favoriten gezeigt wird. Der Film soll Stereotype aufbrechen und sich auf kritische Weise mit dem Heimatverständnis in Österreich auseinandersetzen. Die ersten Resonanzen sind vielversprechend: Bisher waren alle Vorführungen ausverkauft.

Zugehörigkeit neu definieren

Begonnen hat alles mit einer Instagram-Direktnachricht von Stella Radovan, der Produzentin von „Edelweiss“. Sie und Mitproduzent Reza Majdodin wollten Gaberscik als Expertin mit ins Boot holen. Neben ihrem Studium der Politikwissenschaft hat Anna 2020 bereits die Essayserie „Degrees of Separation“ verfasst, die auch im Weltmuseum zu sehen war. Noch im selben Jahr gründete sie den Verein Through our Eyes, dessen Ziel es ist, die Geschichte von POC („People of Color“) zu erzählen. Das geschieht unter anderem in Form von Kursen, die der Anti-Rassismus-Sensibilisierung dienen. Der „Edelweiss“-Film sei eine Erweiterung ihrer Arbeit, erklärt sie, quasi ein verlängerter Arm.

Daher ließ Gaberscik auch die 7800 Euro aus ihrem „Kültür Gemma“-Stipendiat zur Förderung der künstlerischen Arbeit von POC und Menschen mit Migrationsgeschichte in den Film fließen, der mit der Zeit Spielfilmlänge annahm und drei Ebenen miteinander verbindet. Die emotionale Ebene in Form von Anekdoten von Gaberscik, Interviews über Rassismuserfahrungen von POC und Kunstdarstellungen. Letzteres war Gaberscik, selbst Performancekünstlerin, besonders wichtig: „Manche verstehen Dinge besser über Performance.“

Mit „Dingen“ sind Gefühle, aber auch der Heimatbegriff gemeint, der in Österreich einen zu hohen Stellenwert habe, wie Gaberscik findet. „Für uns ist schon immer klar, dass wir ein Teil von Österreich sind“, sagt sie. Das gehe aber auch, ohne das Land als ihre Heimat zu bezeichnen, meint sie: „Österreicherin zu redefinieren ist extrem wichtig.“

Reden ist nicht österreichisch

Annas Beziehung zu Österreich ist sehr zweischneidig. Heimat ist für sie kein bestimmter Ort, sondern „ein Ort, an dem sich bestimmte Leute befinden, die ermöglichen, dass man so ist, wie man ist“. In New York, findet sie, ist das jedenfalls möglich. Ob Wien da jemals wird mithalten können?

„Das hat viel mit den Learnings und Un-Learnings von weißen Menschen zu tun“, meint Gaberscik. „Man kann auch rassistische Sachen machen, wenn man es nicht will.“ Um sich dessen bewusst zu werden, brauche es aber viel mehr Bewusstsein für die Problematik. Die Bereitschaft dazu fehle aber leider oft noch: „Über Sachen zu reden, ist nicht österreichisch. Wir müssen mehr reden, um rassistische Strukturen aufbrechen zu können.“ Dazu brauche es Workshops, Umdenken in der Bildung, mehr POCs als Lehrpersonen und in führenden Positionen, aber auch Filme wie „Edelweiss“, meint Gaberscik, denn: „Bei einem Film kann man nicht wegschauen.“

Screening-Termine für Edelweiss:

31. März, 18 Uhr: Black Movie Days (Cape 10, Wiener Städtische Schauplatz, Alfred-Adler-Straße 1).
2. April, 13 Uhr: Filmhaus (Spittelbergg. 3).
16. April, 13 Uhr: Filmhaus (Spittelbergg. 3).
21. April, 20 Uhr: Breitenseer Lichtspiele (Breitenseer Straße 21).
25. April, 18 Uhr: Belvedere 21 (Arsenalstraße 1).
28. April, 19 Uhr: Screening, 21 Uhr: Aftershow „Edelvibes“ im Kulturhaus Brotfabrik (Absberggasse 27).

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