Der Lega-Chef ist wegen Vorgehens gegen Migranten angeklagt, Senat gab grünes Licht für ein Verfahren gegen den Ex-Innenminister.
Rom/Wien. „Ich werde mich erhobenen Hauptes einem Verfahren stellen“, zeigte sich Matteo Salvini am Donnerstag selbstbewusst. Denn gestern hat der italienische Senat den Weg für einen Prozess gegen den Chef der rechtspopulistischen Lega wegen Aspekten seiner Migrationspolitik frei gemacht.
149 Senatoren stimmten dafür, dass die Immunität des Ex-Innenministers (Sommer 2018 bis Sommer 2019) aufgehoben wird. 141 stimmten dagegen, ein Senator enthielt sich.
Salvini ist wegen Freiheitsberaubung im Falle des NGO-Rettungsschiffes Open Arms und wegen Amtsmissbrauchs angeklagt worden. Grund waren die von ihm als Innenminister erlassenen Beschlüsse, NGO-Boote mit geretteten Flüchtlingen aus dem Mittelmeer nicht nach Italien zu lassen – und Strafen für Helfer zu verhängen. So wurde Open Arms mit 107 Migranten an Bord im August 2019 für 19 Tage auf dem Meer blockiert.
Gesetze sind noch in Kraft
Unklar ist, wie es im Falle einer Verurteilung mit seiner politischen Karriere weitergehen würde. Salvini jedenfalls weist jede Schuld von sich: Er habe den Beschluss ja nicht allein gefasst. Dies sei eine Entscheidung der Regierung gewesen – also des damaligen Koalitionspartners Fünf-Sterne-Bewegung ebenso wie des Regierungschefs, Giuseppe Conte, der schon in der Populistenkoalition Premier war.
Zudem hätte das Schiff ebenso in anderen Mittelmeerhäfen anlegen können, in Malta, Spanien oder Tunesien. In einem ähnlichen Fall, der das Küstenwachschiff Gregoretti betraf, hatte der Senat bereits am 12. Februar die Immunität Salvinis aufgehoben und so den Weg für einen Prozess freigemacht.
Ironie am Rande: Die von Salvini erlassenen Gesetze sind in Italien immer noch in Kraft, sie werden nur meist nicht mehr umgesetzt. In der seit September regierenden Koalition zwischen Linksdemokraten und Fünf-Sterne-Bewegung findet sich keine Mehrheit für eine Änderung: Die Fünf Sterne stemmen sich dagegen, sie befürchten weitere Stimmenverluste. (basta)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2020)