"Sommernachtstraum": Picknick mit Puck im Glashaus

Picknick Puck Glashaus
Picknick Puck Glashaus(c) Filmmuseum
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Shakespeares „Sommernachtstraum“ als Event, bei dem Max Reinhardts Film auf Lachs, Prosecco und eine Talent-Kostprobe des Mozarteums folgt.

Mit dem Hochkultur-Picknick ist es am Donnerstag doch nichts geworden, zumindest im Park des Rokoko-Schlosses Leopoldskron nicht. Die Salzburger Festspiele wollten die Welt von gestern sinnlich nachempfinden und in ganz naiver Art auch einmal spüren lassen, wie es wohl gewesen sein könnte, daheim beim Festival-Mitbegründer Max Reinhardt (1873–1943), dem für Generationen stilbildenden jüdisch-deutsch-österreichischen Theatermacher, der in seinem Metier so erfolgreich war, dass er sogar Schlossherr wurde, ehe ihn die Nazis vertrieben. Ein Fest im Park also? Immerhin hat Reinhardt im Gartentheater seines Anwesens ganz intim William Shakespeares Komödie „Was ihr wollt“ aufgeführt.

Drei Generationen später darf es für die Veranstalter aber schon ein bisschen opulenter sein, das Leibstück des Meisters muss her, als Digestif zum Lunchpaket im Weidenkörbchen, das von einem prominenten Wiener Caterer bereitgestellt wurde. Waren Kaisersemmerln und Parmaschinken die Lieblingsgerichte von Reinhardt? Die neuen Herren des Schlosses tischen jedenfalls ordentlich auf: „Im 90. Festspieljahr öffnen sich wieder dessen Tore und laden die Besucher im Park zu einem Sommernachtstraum ganz eigener Art ein“, heißt es im Festspielführer: „Zwischen Pavillons und unter alten Bäumen erwartet die Gäste ein Picknick im Grünen, gefolgt von Shakespeares Sommernachtstraum. Short Cuts in einer Aufführung durch Schauspielstudierende der Universität Mozarteum Salzburg. Mit Beginn der Dämmerung wird Reinhardts (und William Dieterles) berühmte Hollywoodverfilmung des Sommernachtstraums aus dem Jahr 1935 in der Originalfassung am Ufer des Weihers zu sehen sein.“

Statt am Originalschauplatz speisten 150 Gäste dann aber in einem Ausweichquartier, im Treibhaus einer großen Salzburger Gärtnerei an der Ausfallstraße in den Süden, gleich neben dem Friedhof. Der Regen hatte die Party bei Reinhardt verhindert, man saß also im Glashaus, unter echten Schlingpflanzen, die die künstlichen Paradiese im Athener Wald von Hollywood umrankten.

„Im Haus des Verjagten“

Vielleicht war das Ausweichen auch gut so. Zumindest dürfte es der feinsinnige Literaturwissenschaftler Thomas Rothschild so empfunden haben. Auf „nachtkritik.de“ beleuchtete er am Freitag unter dem Titel „Picknick im Haus des Verjagten“ auch die Schattenseite solch eines Events: „Max Reinhardt ist vor dem Ende des Weltkriegs, 1943, gestorben. Man kam nicht in die Verlegenheit, ihn zur Rückkehr in seine Heimat Österreich oder seine Wahlheimat Deutschland einladen zu müssen.“ Auch das sollten wir Glashausgäste des netten Reinhardt-Abends bedenken, die wir uns bei Lachsbrötchen, Erdbeeren und Prosecco in den Wald der Fiktionen entführen ließen. Eine Aufarbeitung der Geschichte wurde nicht geboten bei diesem frivolen Gedenkfest für den Perfektionisten Reinhardt, für den die besten Schauspieler gerade gut genug gewesen waren.

Die zehn Eleven des Mozarteums haben so brav und engagiert gesungen und gespielt, wie man sich das von einem zweiten Jahrgang erwartet. Soweit es aus diesen Ausschnitten ersichtlich war, gab es schon ziemliche Konstanz, sogar einige zauberhafte Momente, und das ist vielversprechend – gut möglich, dass sich zum Beispiel Michael Del Coco (Zettel) zu einem bemerkenswerten Charakterdarsteller oder gar zu einem unverwechselbaren Komödianten entwickelt, dass Liza Tzschirner (Hermia) bald als große Tragödin auf einer größeren Bühne zu sehen sein wird oder Nikolaij Janocha (Demetrius) bei Castorf oder Pollesch landet.

Und der Film zum Digestif? Schreckliches Regietheater, das Zeug ist selbst bei Berücksichtigung der Dekadenz von Amerika noch viel modernistischer als der „Jedermann“ von Hugo von Stückl! Was für eine romantische Verirrung haben sich diese Hollywood-Regisseure zu unserem heiligen William einfallen lassen. Nein, es ist längst an der Zeit, dass man wieder richtigen Shakespeare spielt, werktreu, textgetreu und mit mehr Verständnis für die Tragik des Puck. Peter Stein, bitte kommen!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2010)

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